Es ist vier Uhr in der Früh und wir sitzen im Flieger nach Sarawak. Kennt ihr nicht? Kein Problem, so ist es uns auch gegangen. Sarawak ist der westliche Teil vom malaysischen Borneo und wir haben uns nach langem hin und her (Sabah oder Sarawak? Oder beides? Und was ist mit Brunei?) dazu entschieden, unser Glück mit der borneoischen (borneotischen? borneoer? bornischen? bornesischen?) Flora und Fauna hier zu versuchen. Die Anreise ist überraschend verspätungslos, aber so läuft es halt, wenn man keine Pläne mehr für den Tag hat.
Bei der Einreise nach Sarawak wird uns stolz erzählt, dass es ein derart autonomer Bundesstaat Malaysias ist, dass hier sogar der malaysische König und der Premierminister ein Visum brauchen. Gratulationen an Sarawak und zum Glück bekommen auch wir ein Visum.
In Kuching angekommen erfahren wir, dass im Gunung Gading Nationalpark gerade zwei Rafflesien blühen! Ja genau, das sind die Riesenblüten, die wir schon erfolglos in Khao Sok und in den Cameron Highlands gesucht haben. Klar also, dass wir unbedingt dorthin müssen. Vor allem Bettina freut sich, dass wir die Chance bekommen die seltene Blüte zu sehen, weil sie schon als Kind Geschichten davon gehört hat. Die Anreise wird uns allerdings alles andere als leicht gemacht. Sicher, wir wissen, dass wir uns mit unserer Entscheidung für Sarawak auf den weniger touristischen Teil Borneos eingelassen haben, aber den Schwierigkeitsgrad der Informationsfindung haben wir unterschätzt. In unserer Unterkunft wird nur spärlich Englisch gesprochen und niemand kann uns sagen, ob der Bus, den wir in den Tiefen des Internets gefunden haben, tatsächlich existiert. Schlussendlich kann uns bei der städtischen Touristeninformation, wenn auch nur eingeschränkt, weitergeholfen werden. Ja, es gibt den Bus. Ja, er fährt an unser gewünschtes Ziel. Jetzt das große ABER: Nicht mal in der Touristeninformation weiß man, wo die Haltestelle des Busses ist und der einzige Bus dorthin kommt um 12:00 Uhr an, und fährt um 13:00 Uhr wieder zurück. Vier bis sechs Stunden im Bus nur um für eine Stunde dort zu sein – irgendwie recht blöd. Vor Covid sind angeblich mehrere Busse täglich gefahren aber jetzt gibt es nicht mehr genug Touristen in der Gegend. Kann man nichts machen, meint die Touristenlady, die unser zeitliches Problem nur bedingt versteht (oder verstehen will), schließlich ist es doch auch kurz vor Feierabend. Trotzdem, und nach sorgfältiger Abwägung aller Optionen, steht eines fest: Wir wollen zur Rafflesia. Also bleibt nur noch eines, wir leihen uns ein Auto. Wollten wir eigentlich gerne vermeiden, aber endlich interessiert sich vielleicht doch jemand für unsere vielen internationalen Führerscheine. Nach drei unbefriedigenden Kommunikationen mit lokalen Autoverleihagenturen, müssen wir klein beigeben und doch beim teureren, international tätigen Autoverleih mieten.
Wir haben uns nicht lumpen lassen und nicht irgendein Auto gemietet. Wie sich am nächsten Tag herausstellt, bekommen wir einen Proton Perodua Bezza. Richtig gelesen, einen echten Proton. Mal sehen, ob sich das Auto des malaysischen Herstellers ähnlich lenkt wie unser geliebter Fabia. Großes Problem: Linksverkehr! Nachdem wir beide unsere Plätze im Auto gefunden haben, stellen wir fest, dass das Gaspedal gottseidank auch hier mit dem rechten Fuß zu betätigen ist. Soweit so gut, die Spiegel sind eingestellt, Bettina an der Kommandobrücke ist mit Google Maps ausgerüstet und Flo im Cockpit fühlt sich nach einem tiefen Durchatmen bereit dafür, alle bisher bekannten Verkehrsregeln zu vergessen. Also dann, los gehts. Und schon passierts. Statt rechts zu blinken um anzudeuten, dass wir gedenken unsere Parklücke zu verlassen, hat Flo den Scheibenwischer inklusive Wischwasser aktiviert. Wir schrecken uns beide kurz. Memo an uns selbst, die Hebel neben dem Lenkrad sind sehr wohl seitenverkehrt angeordnet. Hätte man sich durchaus merken können, aber im Laufe unserer Fahrt soll uns die Scheibenwischanlage noch öfter einen Grund für einen Lachanfall liefern. Ansonsten läuft unser Proton wie geschmiert und Flo kann sich schneller als erwartet ein bisschen an den Linksverkehr gewöhnen. So kommen wir, mit nur ein bis zwei verbotenen Manövern, nach zwei Stunden Fahrt im Gunung Gading Nationalpark an.
Dort werden wir unserem sehr lieben und aufgeweckten Guide Antonia zugewiesen, die uns den Weg zur Rafflesia zeigt und uns in einer Stunde so zirka alles über die Rafflesia, den Nationalpark und Sarawak beibringt. Wir sehen zwei blühende Rafflesien mit einem Durchmesser von über einem halben Meter, mehrere Babyrafflesien und eine frisch abgeblühte Raffesia. Nicht so schlecht wenn man bedenkt, dass sie nur einmal im Jahr für sieben Tage blühen. Außerdem machen wir den Test: Die Blüte stinkt nicht so stark wie wir gedacht haben. Dann machen wir auf eigene Faust noch eine kleine Wanderung tiefer in den Nationalpark zu einem Wasserfall. Was uns an dieser Stelle auffällt: Die Blätter fallen in Asien sehr laut. Gut, viele Blätter sind auch so groß wie der kumulierte Durchmesser unserer Hände, aber trotzdem schlagen sie immer mit einem erstaunlich lauten Geräusch am Boden auf. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir ein bisschen paranoid sind nachdem Antonia uns erzählt hat, dass alles was sich in diesem Nationalpark bewegt eine Schlange ist. Am Wasserfall angekommen ist dieser gar nicht so spektakulär, aber wir sind trotzdem glücklich mit unserer kleinen Wanderung, gehen kurz schwimmen und genießen unsere wohlverdiente Jause. Dann machen wir uns wieder auf den Weg zum Nationalparkhauptquartier, kühlen uns dort nochmals im Bach ab und flitzen in unserem Proton nach Hause. Wie schon am Vormittag haben wir zum Glück die ganze Fahrt kaum Verkehr. Die Scheibenwischanlage kommt noch ein paar mal unabsichtlich zum Einsatz und das Wischwasser müsste inzwischen eigentlich leer sein. In der Nähe des Flughafens (wo wir das Auto zurückgeben müssen) kommen wir auf der Suche nach einer Tankstelle aber leider voll in die berüchtigte Kuchinger Rushhour. So wird es ein bisschen knapp, das Auto zur vereinbarten Zeit zurückzugeben, aber ein grenzwertiges Manöver rettet uns den Tag und wir sind rechtzeitig zurück. Kein Wunder übrigens, dass hier soviel Verkehr ist, Kuching und seinen 700.000 Einwohnern stehen so gut wie keine Öffis zur Verfügung. Und ohne motorbetriebenen Untersatz ist man halt niemand und kommt nirgends hin, wie wir auch feststellen mussten.
Fazit: Die internationalen Führerscheine waren eine gute Investition. Protons überzeugen mit einem großen Wischwassertank. Endlich haben wir die Rafflesia gefunden, sie hat es uns wirklich nicht leicht gemacht.