Oder: Ananas-Limette-Ingwer

Wir verlassen Thailand in einem Bus, der uns sehr an Nepal erinnert. Der Bus ist heillos überfüllt mit Menschen und Gepäck, und die Sitze sind so eng, dass sogar Bettinas Beine kaum Platz haben. Der Schweiß rinnt uns nur so herunter, Klimaanlage gibt es natürlich keine, dafür aber Ventilatoren, die an die Busdecke geschraubt sind. An der Grenze zu Laos sind wir wirklich froh, endlich aussteigen zu können. Wir haben hohe Erwartungen an Laos. Immerhin war das 5. Land unserer Reise von Anfang an auf „unserer Liste“. Das kann bis jetzt nur Nepal von sich behaupten. Um mit etwas Positivem zu starten: Man fährt in Laos auf der richtigen Straßenseite. Es ist das erste Land unserer Reise mit Rechtsverkehr. Was uns aber gleich im ersten Moment negativ auffällt ist die „Touristensteuer“, die überall eingefordert wird. Wenn man dann nachfragt warum man mehr bezahlen soll, wird man breit angegrinst und bekommt zu hören, dass die angeschriebenen Preise nur für Einheimische gelten. Prinzipiell weigern wir uns ja da mitzumachen und gehen dann zum Konkurrenten oder sitzen es einfach aus, aber in Laos beginnt das Spielchen schon beim Grenzstempel. Super ärgerlich! Vielleicht ist das auch der Grund, warum wir schon am ersten Abend an unserer Entscheidung nach Laos zu kommen zweifeln. Vielleicht liegt es aber auch an Houayxay, der in unseren Augen recht unansehnlichen Grenzstadt. Da wir uns nicht länger als nötig in dem Ort mit dem unaussprechlichen Namen aufhalten wollen, organisieren wir die Weiterreise gleich für den nächsten Tag.

Für uns geht es mit dem Slow Boat in zwei Tagen über den Mekong bis nach Luang Prabang. Bei der Recherche über die Bootsfahrt haben wir sehr gemischte Berichte gefunden. Die einen empfinden es als eine entspannte Art des Reisens mit toller Aussicht auf die Landschaft, die anderen meinen, es ist eine absolute Horrorfahrt von der man unbedingt die Finger lassen soll. Klar also, dass wir es selbst ausprobieren müssen. In der Früh besorgen wir uns noch schnell einen fast ungenießbar fettigen, gebratenen Reis als Proviant und springen ins Boot. Das ist voller alter, gut gepolsterter Bussitze, uns werden aber natürlich gleich mal zwei Plätze auf einer schmalen Holzbank zugewiesen. Auf der wir für sechs Stunden sitzen sollen. Ohne Polster. Die Stimmung sinkt gleich mal und wir versuchen mit dem Bootsfahrer in Zeichensprache zu verhandeln, was nur so mittelprächtig funktioniert. Schlussendlich ergattern wir trotzdem zwei Bussitze, weil eine französische Familie mit uns tauschen will. Warum können wir immer noch nicht nachvollziehen. Obwohl Flo natürlich schon nach nicht mal einer von sechs Stunden nicht mehr sitzen kann sind wir ziemlich zufrieden mit unseren Plätzen. Das Boot wird nämlich so vollgestopft, dass bei Abfahrt nicht nur alle Holzbänke besetzt sind, sondern für Spätankömmlinge auch noch Plastiksessel im Maschinenraum aufgestellt werden. Dort ist es nicht nur stickig, sondern auch unvorstellbar laut. Tja, wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die Fahrt ist recht ereignislos. Wir starren auf die vorbeiziehende Hügellandschaft und können gelegentlich das Treiben in kleinen Dörfern samt Wasserbüffel und winkender Kinder beobachten. Wir picken ein paar Reiskörner aus der Fettsuppe, die wir als Jause mitbekommen haben. Wir verlagern unser Gewicht alle halben Stunden von einer Pobacke auf die andere. Wir hören Musik und dösen immer mal wieder weg, während der hintere Teil des Boots sich langsam in eine Partyzone verwandelt. Vor allem Flo freut sich sehr, als wir in Pak Beng ankommen, wo wir die Nacht verbringen.

Am nächsten Tag sind wir schon besonders früh beim Boot, um den Maschinenraumplätzen zu entgehen und obwohl wir nicht die Einzigen mit der Idee sind, bekommen wir wieder gute Plätze. Die Partypeople vom Vortag sind auffällig bleich und ruhig und neben uns sitzt eine Gruppe mit Gitarre. So cool! Mal ganz im Ernst, im nächsten Leben wollen wir auch Gitarre spielen können. Obwohl wir heute länger im Boot sitzen, vergeht die Fahrt etwas schneller. Wir sind aber trotzdem nicht böse, als wir in Luang Prabang ankommen und das Boot hinter uns lassen können. Im Nachhinein können wir sagen, dass wir den ganzen Spaß wohl eher als „Art um von A nach B zu kommen“ kategorisieren würden als als „ nicht zu verpassendes Erlebnis“.

Wie so oft ist unsere erste Station in einer neuen Stadt der Nachtmarkt, und in Luang Prabang werden wir definitiv nicht enttäuscht. Es gibt Stände im Buffet Stil, bei denen man einen Teller in die Hand gedrückt bekommt und sich so viel nehmen kann, wie drauf passt. Ein System, bei dem man nicht nur viel verschiedenes ausprobieren kann, es schreit auch danach es bis zum geht nicht mehr auszureizen. Wir finden hier auch unseren absoluten Lieblingsstand aller Zeiten. Das Objekt unserer Begierde: Ein Fruchtshake. DER Fruchtshake. Ananas, Limette und Ingwer. Eine unschlagbare Kombination. Hätte es irgendeine Art von Treuebonus gegeben, wir hätten ihn verdient. Wir werden Stammkunden und die Verkäuferin weiß schon was wir wollen, bevor wir überhaupt bestellen. Leider war der Shake nur hier so unglaublich gut und enttäuscht uns seitdem nur noch. 

Am nächsten Tag schlendern wir ein bisschen durch die hübsche Stadt mit den bunten Kolonialbauten und landen schließlich im UXO Visitor Center. Das Museum klärt über die verheerenden Folgen des zweiten Indochinakriegs in Laos auf. Von den fast drei Millionen Tonnen Bomben, die die Amerikaner über Laos abgeworfen haben, sind ca. 30 Prozent nicht explodiert und somit immer noch eine Bedrohung für die Bevölkerung. Fast jede Woche kommt es zu einem Unfall und die Opfer sind meistens Kinder. Wir verlassen das Visitor Center nachdenklich und betroffen.

Eine Radltour steht an. Beim Fahrradverleih unseres Vertrauens borgen wir uns früh morgens Mountainbikes aus und machen uns auf den Weg zu den Kuang Si Wasserfällen. Schon beim ersten Hügel stellt sich heraus, dass Flo beim Fahrrad ziemlich daneben gegriffen hat und er muss nicht zum letzten Mal an diesem Tag einige Meter schieben. Augen auf beim Vertrauensvorschuss an Fahrradverleihe! Die 30 km Fahrt führt uns durch kleine Dörfer und schöne Landschaften und ist nicht so schlimm wie man sich erzählt. Vielleicht aber auch, weil wir früh genug wegfahren und so der größten Hitze entgehen. Am Ziel angekommen müssen wir das erste Mal in unserem Leben für einen Fahrradparkplatz bezahlen. In Laos findet man wirklich immer einen Grund für eine kleine extra Gebühr, die Räder wurden dafür aber ausgesprochen gut beschützt.

Die Wasserfälle sind unwirklich schön und auf jeden Fall einen Besuch wert. Es gibt viele kleine Becken mit klarem, türkisfarbenem Wasser in denen man baden kann. Wir springen natürlich auch ins eiskalte Nass und werden sofort von den ansässigen Fischen attackiert, die es auf unsere Haut abgesehen haben. Ziemlich kitzlige Angelegenheit. Als die Reisebusse am Wasserfall eintrudeln, bestaunen wir noch schnell die Mondbären in der angrenzenden Auffangstation (Süße, tapsige Fellknäuel, aber die Gehege wirken sehr klein auf uns) bevor wir uns auf den Rückweg machen. Beim Parkplatz ankommen wird klar, dass wir heute wohl die Einzigen waren, die sich fürs Fahrrad entschieden haben. Das Fortbewegungsmittel der Wahl ist ganz eindeutig das Moped und wir müssen uns zwischen hunderten davon durch quetschen um unsere Räder zu erreichen. Am Heimweg entdeckt Flo noch ein wunderschönes Restaurant und wir gönnen uns Fruchtshakes mit Blick auf Reisfelder. Ein sehr gelungener Tag.

In Laos sieht man überall Mönche in leuchtend orangen Gewändern, die besonders Bettina gefallen. Deswegen hat sie es sich in den Kopf gesetzt, in aller Herrgottsfrühe aufzustehen um den Almosengang „Tak Bat“ beobachten zu können, bei dem in Luang Prabang hunderte von Mönche Essen von den Bewohnern der Stadt gespendet bekommen. Flo denkt garnicht daran, dafür das Bett zu verlassen. Wann genau die Prozession jeden Tag stattfindet und wo man das ganze am Besten bewundern kann ist nicht so eindeutig herauszufinden, und so irrt Bettina noch vor dem Sonnenaufgang fast eine Stunde lang durch die kleinen Gässchen der Stadt, ohne einen einzigen Mönch zu entdecken. Was für ein gelungener Start in den Geburtstag. Ja, Bettina wird heute 28 (Und ja, so weit sind wir schon mit dem Blogschreiben hinterher). Macht nichts, so kann sie zumindest gleich Frühstück vom Morgenmarkt mitbringen. Den Rest des Tages verbringen wir sehr gemütlich, mit viel gutem Essen und noch mehr Fruchtshakes (Ananas-Limette-Ingwer natürlich). Am Abend erklimmen wir den Phousi Hügel, einen nicht ganz so geheimen Ort, an dem man den besten Blick auf den Sonnenuntergang hat. Und die Sonnenuntergänge am Mekong mit den Bergketten im Hintergrund können sich wirklich sehen lassen. Das ganze Spektakel ist schon fast unwirklich kitschig und wir vergessen sogar die Menschenmassen, von denen wir umgeben sind.

Bevor es am nächsten Tag für uns weiter geht, will Bettina nochmal ihr Glück mit den Mönchen versuchen. Und diesmal ist sie zur richtigen Zeit (5 Uhr!) am richtigen Ort (andere Gassen als am Vortag). Es ist ein wunderschönes Bild, wie sechs Mönche in ihren orangen Gewändern barfuß und in kompletter Stille die Straße entlang gehen und von Anwohnern Reis bekommen. Leider wird dieser magische erste Eindruck nur eine Straße weiter komplett zerstört. An der Kreuzung, an der die geführten Touren halt machen, ist es vorbei mit der Ruhe. Menschengruppen belagern lautstark die Prozession, halten sogar den Marsch auf weil sie den Mönchen auf der Jagd nach dem perfekten Foto mit den Kameras vorm Gesicht herumfuchteln. Blitzlichtgewitter und Herumgeschreie erfüllt die Straßen. Von respektvollem Abstand kann nicht die Rede sein. Es braucht sogar Leute, die versuchen die aufdringlichen Touristen mit Trillerpfeifen zur Ordnung zu rufen. Wirklich unglaublich.

Fazit: Von diesen Ananas-Limette-Ingwer-Shakes werden wir noch lange träumen. Die Sonnenuntergänge in Luang Prabang gehören zu den schönsten, die wir je gesehen haben. Touristen sind (manchmal) Arschlöcher.