Wir sind bereit Laos zu verlassen. Nur scheint Laos noch nicht bereit zu sein, uns gehen zu lassen. Unsere Wäsche wird als Geisel gehalten. Wir haben sie vor zwei Tagen in einer Wäscherei abgegeben und werden seitdem immer vertröstet, wenn wir sie abholen wollen. Da wir eigentlich zum Busbahnhof aufbrechen sollten, werden wir langsam ein bisschen nervös. Aber wie es halt so ist, in Südostasien, geht sich am Ende doch noch alles irgendwie aus und wir sitzen im richtigen Bus als er losfährt. Der Grenzübergang nach Thailand verläuft erstaunlich reibungslos und bevor wir uns versehen sitzen wir im Nachtzug. Wir beziehen unser Stockbett und vor allem Bettina fühlt sich in ihrer Koje richtig wohl. Das Bett ist zur Abwechslung mal auch für Flo lang genug und so ist es vermutlich die erste Fahrt, die wir beide komplett verschlafen. Am nächsten Tag wachen wir frisch und ausgeruht in Bangkok auf. Ja, schon wieder Bangkok. Aber dieses Mal nur für eine Nacht, gerade genug Zeit also, um unser Lieblingscurryrestaurant noch mal zu besuchen, bevor es mit dem Bus weiter ins sechste Land unserer Reise geht. Kambodscha. Wir haben nicht das VIP-all-inclusive-rundum-Sorglospaket gebucht und sind deswegen unter den Wenigen im Bus, die ihren Pass selbst über die Grenze tragen müssen. Prinzipiell ja kein Problem, solange man eine kleine finanzielle Zuwendung für den Aufwand der Grenzbeamten bereithält, würde Bettina nur ihren Pass zurückbekommen. Der verschwindet aber auf mysteriöse Weise am Schreibtischsaustall der Visastempelmenschen. Gut, dass Bettinas Pass in einer bunten Hülle steckt. So erkennen wir ihn und können gerade noch einschreiten, als er innerhalb eines Stapels von anderen Pässen von einer fremden Person weggetragen wird. Wir möchten uns mal lieber nicht ausmalen, wie sich ein verlorener Pass auf unsere Situation am Grenzübergang ausgewirkt hätte. Nächstes kleines Problem nachdem wir erfolgreich nach Kambodscha immigriert sind: Wo ist unser Bus? Genau, der große rote, der eigentlich kaum zu übersehen ist. Nach einigem Hin und Her finden wir ihn aber zwei Straßen weiter. Gerade noch mal Glück gehabt. Kleiner Hinweis an unsere englischsprachigen Freunde: Auch im Ausland kann JEDER euren Gesprächen folgen. Für die Mädelsgruppe neben uns im Bus kommt dieser Hinweis zu spät und wir kennen uns nun vielleicht ein bisschen zu gut in ihrem Sexleben aus. Nach neun Stunden relativ gemütlicher Busfahrt kommen wir in Siem Reap an und beziehen ein sehr schönes Hostel mit Pool. Der Pool ist auch sehr willkommen, es ist nämlich ziemlich heiß.
Bis jetzt haben wir uns, so glauben wir zumindest, auf der Reise noch kaum beim Währungsumrechnen vertan. In Kambodscha wird uns das Ganze aber noch einmal erschwert. Es herrscht komplette Währungsverwirrung. Grundsätzlich gäbe es eine kambodschanische Währung, den Riel. US-Dollar und Thai Bhat sind aber genauso im Umlauf. So kann man in jeder der drei Währungen zahlen und alle drei als Wechselgeld zurückbekommen. Oft sogar ein Gemisch daraus. Das ist also der Moment, auf den uns unsere Mathelehrer jahrelang vorbereitet haben.
Auch der Verkehr in Siem Reap ist ziemlich verrückt. Während sich die Autofahrer oft mit ein bisschen offensivem Gedrängel und Gehupe zufrieden geben sind die Mopedfahrer völlig außer Kontrolle. Sie fahren dort, wo sie gerade am schnellsten voran kommen, was sie nicht selten zu Geisterfahrern macht. Dass erstaunlich viele Zehnjährige mit ihren Mopeds durch die Straßen cruisen, hilft auch nicht gerade.
Was führt uns also in dieses schweißtreibende, verkehrschaotische, kopfrechnungsintensive Siem Reap? Angkor. Die berühmten Tempelanlagen wollen wir uns nicht entgehen lassen. Bevor es allerdings los geht, gilt es viele Entscheidungen zu treffen. Kaufen wir uns einen Ein-, Drei-, oder sogar einen Zehntagespass? Erkunden wir das großflächige Areal mit Moped oder Fahrrad oder heuern wir einen Tuktukfahrer an? Welche Tempel wollen wir uns überhaupt anschauen? Und wie kann man den geführten Touren am besten aus dem Weg gehen? Wir sind von all den sich uns bietenden Möglichkeiten so überfordert, dass wir erst mal einen Tag am Pool brauchen und die Entscheidung aufschieben. Schlussendlich machen wir uns mit einem Dreitagespass und Fahrrädern auf den Weg in Richtung Angkor. Mit so viel Wasser wie wir tragen können im Gepäck radeln wir gegen den Uhrzeigersinn den „großen Loop“ entlang und schauen einfach mal wie weit wir kommen. Das Radfahren bis zur Anlage ist mindestens so angsteinflößend, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Tempel sind mindestens so beeindruckend, wie wir sie uns vorgestellt haben. Es ist mindestens so heiß, wie wir es uns vorgestellt haben. Alles in allem also ein gelungener erster Tempeltag.
Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen. Wir wollen nämlich zum Sonnenaufgang bei Angkor Wat, dem berühmtesten Tempel der Anlage, sein. Wir kommen beim Aufstehen natürlich wieder mal nicht ganz so schnell in die Gänge wie erhofft und schaffen es so, mit exzessivem Gestrampel, gerade noch rechtzeitig. So bestaunen wir mit ein, zwei anderen Leuten die Reste des Sonnenaufgangs. Das Aufstehen hat sich auf jeden Fall gelohnt. Den Moment, in dem die ersten Sonnenstrahlen des Tages über die Türme von Angkor Wat blinzeln und sich die Szenerie in dem Teich vor dem Tempel spiegelt, werden wir so schnell nicht vergessen. Als die Menschenmassen nach dem Sonnenaufgang beginnen, sich in die Tempelanlage zu schieben, machen wir uns mit unseren Rädern auf in die entgegengesetzte Richtung. Zu dieser Tageszeit soll Ta Prohm, der überwachsene Tempel aus dem Tomb Raider Film, nämlich wenig besucht sein. Und unsere Recherche lässt uns nicht im Stich. Wir haben Ta Prohm quasi für uns alleine und sind begeistert. Der Dschungel hat begonnen, sich die Anlage zurückzuholen und die Mauern sind von Bäumen mit beeindruckenden Wurzeln bewachsen. Den Rest des Tages verbringen wir auf dem „kleinen Loop“ und fahren von einem Tempel zum nächsten. Besonders gut gefallen uns die Pyramidentempel, auf die man klettern kann und von denen man einen tollen Ausblick hat.
Am Ende des zweiten Tages in Angkor fühlen wir uns erschöpft und sind komplett Tempel gesättigt. Nicht falsch verstehen, jeder Tempel ist beeindruckend und einzigartig. Aber nachdem wir uns 13 Tempel angeschaut haben, brauchen wir einen Tag Pause, bevor wir uns an das Highlight wagen. Angkor Wat. Irgendwie haben wir wieder mal Glück und es sind kaum Leute unterwegs als wir durch die imposanten Gänge, Hallen und Innenhöfe schlendern. Was das ganze, zumindest für Bettina, noch toppt: Mit uns ist eine Gruppe Mönche in ihren leuchtend orangen Outfits in Angkor Wat unterwegs. Angkor Wat ist absolut zurecht der bekannteste Tempel der Anlage.
Fazit: Auffällige Passhüllen können Gold wert sein – danke Gertraud! Kambodscha, entschiede dich für eine Währung! Wir haben einen Tempelkollaps. Wer hätte gedacht, dass der Verkehr irgendwo noch chaotischer als in Nepal sein könnte?