Mit dem Zug geht es für uns nach Taichung. Mit dem Zug!! In Taiwan hat das ewige im Bus Gesitze der letzten Monate nämlich ein Ende. Das perfekt ausgebaute Zugsystem im ganzen Land machts möglich. Den ultra schnellen Hochgeschwindigkeitszug leisten wir uns zwar nicht, aber der nur halb so teure normale Zug fühlt sich für uns auch super luxuriös an.
Das wars jetzt übrigens mit unserer Reise zu zweit. Ab jetzt sind wir zu dritt unterwegs – also zumindest für die nächsten drei Wochen. Taiwan werden wir zusammen mit Michi erkunden, den wir auf einem Aussichtspunkt in Laos kennengelernt haben. Wir nutzen den restlichen Nachmittag in Taichung für intensive Recherchen um einen groben Schlachtplan für die nächsten Wochen zu erstellen. Tag zwei in Taiwan und wir wissen jetzt schon, dass wir unbedingt noch mal wieder kommen müssen. Es gibt einfach viel zu viele coole Sachen hier, die wir unbedingt machen wollen. Am Abend wird es Zeit auszuchecken, ob die Nachtmärkte in Taiwan unsere hohen Erwartungen erfüllen können. Können sie. Wir versuchen uns einmal quer durchzukosten, scheitern aber kläglich. Nachdem wir uns an eine Art Zwiebelpalatschinke mit scharfer Sauce, Stinky Tofu, eine Suppe mit undefinierbaren Einlagen und Süßkartoffelbällchen gewagt haben, müssen wir aufgeben. Die kulinarische Erkundungstour muss an den nächsten Tagen mit wieder leeren Bäuchen fortgesetzt werden. Am Weg zurück in unsere Unterkunft finden wir noch eine landestypische Freizeitbeschäftigung. Greifarmautomaten. In Österreich kennt man sie vielleicht, um Stofftiere zu angeln. Hier stehen sie an jeder Ecke und man kann mit ein bisschen Fingerspitzengefühl alles nur Erdenkliche aus den Automaten fischen. Und damit meinen wir wirklich ALLES. Wir finden unter anderem Automaten, gefüllt mit Instantnudelpackerln, Klopapier, Deo, Fusselroller oder Hundefutter. Weil Michi gerne einen Anhänger aus Taiwan für seinen Rucksack hätte, versuchen auch wir unser Glück. Allerdings nicht besonders erfolgreich.
Am nächsten Morgen frühstücken wir das erste (und leider bei weitem nicht das letzte) Mal bei 7-Eleven. Süßkartoffel, Toast, Trinkjoghurt und Kakao. Dieses Essen wird uns noch ziemlich zum Hals herausstehen, aber wenn man nicht so der Typ für deftige Rindsnudelsuppe in der Früh ist, hat man hier nicht ganz so viele Alternativen. Mit dem Zug geht‘s für uns zum Huoyan Mountain, dem Feuerberg. Die kleine Wanderung führt zu Abhängen, von denen wir einen Blick auf absurde Sand- und Sedimentgestein Formationen haben. Als die Sonne rauskommt wird auch klar, wie der Berg zu seinem Namen gekommen ist. Aber schaut euch das auf den Fotos einfach selbst an. Auf dem Weg sind wir eine kleine Attraktion und werden von allen Seiten strahlend begrüßt und um Selfies gebeten. Wir fragen uns ja schon manchmal, was mit all den Selfies passiert, die fremde Leute mit uns schon machen wollten. Werden sie als Weihnachtskarte verschickt? Als Vorher-Aufnahme in einer Vorher-Nacher Gegenüberstellung einer Faceliftingagentur verwendet? Haben die Leute „Selfies mit Fremden“-Fotoalben? Wäre ja mal spannend zu wissen. Mit ein paar Wanderern können wir trotz Sprachbarriere ein paar Worte wechseln. Österreich kennt auch hier übrigens fast niemand, dafür aber Deutschland, und so muss Michi das ein oder andere Mal über die Genialität deutscher Autos fachsimpeln. Als ein älterer Herr hört, dass wir am nächsten Tag noch eine andere Wanderung geplant haben, beginnt er sofort laut zu überlegen, wie er sich den Tag freischaufeln kann, um uns hinzuführen. Wir sind fast ein bisschen überfordert von so viel Hilfsbereitschaft.
Wandern ist in Taiwan definitiv sowas wie der Nationalsport. Wir treffen viele größere Wandergruppen, teilweise sogar mit zusammenpassenden Outfits, die unserer Meinung nach für eine lockere drei Stunden Wanderung etwas überausgerüstet sind. Spätestens als wir beim Picknickplatz eine Jausenpause machen (7-Eleven Essen, yay) und die Taiwanesen um uns herum anfangen groß aufzutischen, müssen wir unser Urteil, dass sie zu viel mitschleppen, revidieren. Wir sind ziemlich neidisch auf das lecker riechende Essen, das auf ihren Campingkochern vor sich hinköchelt. Aber weil die Taiwanesen nicht nur super ausgerüstet, sondern auch wahnsinnig gastfreundlich sind, bekommen wir auch was ab und werden gleich mal auf Tee und Kaffee eingeladen.
Zurück in Taichung schlendern wir noch durch ein schönes Viertel voll kleiner Kunst- und Designgeschäfte, bevor es zum Abendessen wieder auf einen Nachtmarkt geht. Einen noch größeren dieses Mal.
Um zum Ausgangspunkt der Wanderung auf dem Yuanzuishan zu kommen, müssen wir uns ein Auto ausborgen. Gesagt, getan. Noch schnell eine Jause gekauft (dieses mal eine Bentobox vom Bahnhof – viel besser als 7-Eleven) und los gehts. Nach nur einer Stunde wilden Herumgedrückes auf dem Bordcomputer schafft es Michi in seiner Funktion als Co-Pilot, die Sprache von Chinesisch auf Englisch umzustellen und so können wir die restliche Fahrt Musik hören. Allein die Anfahrt zum Yuanzuishan ist wunderschön und steigert unsere Vorfreude auf die Wanderung nochmal. Bis wir beim Parkplatz ankommen. Dort stehen so viele Autos und sogar ein Reisebus (vermutlich von einer der Wandergruppe mit zusammenpassenden Outfits), dass wir unsere Wanderroutenwahl sofort in Frage stellen. Aber dafür ist es jetzt zu spät.
Es dauert auch nicht lange, bis wir auf die erste Gruppe auflaufen. Die sind noch besser ausgerüstet als die Wanderer vom Vortag und haben sogar Walkie-Talkies mit, damit sich auch die Leute, die ganz vorne gehen, mit den Nachzüglern unterhalten können. Eins ist klar, die Leute hier gehen nicht auf den Berg, um in Ruhe die Natur zu genießen. Am letzten Stück bis zum Gipfel ist ein bisschen Kraxeln angesagt und dann genießen wir den Ausblick vom Grat. Nach einer kleinen Jause machen wir uns daran, wieder bergab zu kraxeln. Dabei laufen wir zwar wieder auf eine Gruppe auf, aber wir bekommen auch Guaven geschenkt. Haben wir noch nie gegessen und schmeckt richtig gut. Vor allem bei Michi entwickelt sich dadurch eine kleine Guaven Sucht. Weil wir uns für einen alternativen Rückweg entscheiden, treffen wir nicht dort auf die Straße, wo unser Mietauto auf uns wartet. In Taiwan allerdings kein Problem. Wir sind keine zwei Minuten unterwegs Richtung Parkplatz, da bleibt ein Auto neben uns stehen und ein älteres Ehepaar bedeutet uns einzusteigen. Weil wir alle schon ein bisschen müde sind, nehmen wir das Angebot gerne an. Sofort fangen die beiden an, fröhlich drauf los zu quatschen. Nicht miteinander, sondern mit uns. Auf Chinesisch. Wir steigen natürlich in die Konversation ein. Auf Englisch. Und so hat die vordere Reihe im Auto keine Ahnung, wovon die Rückbank redet und umgekehrt, aber alle haben das Gefühl, eine gute Unterhaltung zu führen. So einfach kann es manchmal sein. Uns werden Fotos von einem Fasan gezeigt (genauer gesagt: einem Mikadofasan. Nur für den Fall, dass sich Liebhaber und Kenner des edlen Vogelviehs unter euch befinden) und ein Video von einem kleinen Mädchen (wir schätzen, dass es sich dabei um das Enkerl handelt, aber wer weiß das schon). Schneller als gedacht kommen wir bei unserem Mietauto an und verabschieden uns von unserer Mitfahrgelegenheit. Die beiden hätten uns mit Sicherheit auch noch bis nach Taichung mitgenommen.
Unseren letzten Vormittag in Taichung nutzen wir, um die Stadt noch ein bisschen mit Rädern zu erkunden. Allerdings nicht mit irgendwelchen Rädern. Mit U-Bikes. Stellplätze für diese U-Bikes gibt es so gut wie überall in so gut wie jeder Stadt. Bezahlt wird die super günstige Leihgebühr mit Hilfe der Karte, mit der man auch für die Öffis zahlt (ja richtig gelesen – eine Karte für alles!). Wir sind sofort von dem einfachen und genialen System begeistert und cruisen mit unseren U-Bikes durch Taichung. Es stellt sich heraus, dass die Stadt auch abseits der Nachtmärkte einiges zu bieten hat. Das moderne Theater gefällt uns genauso gut wie die hohe Sportanlagen Dichte. Als wir unsere Rucksäcke im Hotel abholen, werden wir fast von zwei Putzfrauen über den Haufen gerannt. Die beiden ziehen drei große Müllsäcke hinter sich her und drängen sich hektisch durch die Tür in Richtung Straße. Wir schauen uns ein bisschen perplex an. Ein Blick auf die Straße offenbart das ganze Ausmaß der schrägen Situation, löst das Mysterium aber auch auf. Von allen Häusern sprinten Menschen auf die Straße, um ihren Müll in die langsam vorbeirollende Müllabfuhr zu werfen, die mit einer lauten Melodie auf sich aufmerksam macht. Was in anderen Ländern der Eiswagen ist, ist hier die Müllabfuhr.
Fazit: Stinky Tofu stinkt zwar wirklich, schmeckt aber gut – zumindest wenn man Bettina fragt. Wir hoffen, uns etwas von der taiwanesischen Hilfsbereitschaft aneignen zu können. Landschaft, Essen und Verkehrsmittel überzeugen uns schon mal! Das Müllabfuhrlied werden wir für immer mit Taiwan verbinden.