Oder: Neblige Bedingungen

Von Taiwans Westen nach Taiwans Osten gibt es zwar keine Zeitverschiebung, dafür aber einen kleinen Temperatursturz. Es geht von schwülen 35 °C in Kaohsiung zu regnerischen 20 °C in Hualien. Trotz Regens werden wir in Hualien fürstlich von unserem Hostelgastgeber empfangen. Aufgrund der üblichen Sprachbarriere werden unsere vermeintlich einfachen Fragen nach den Busabfahrtszeiten zum Taroko Nationalpark auf kreative Art beantwortet. Der Gastgeber und wir machen einen stillschweigenden fünfzehnminütigen Ausflug zum Busbahnhof, wo er uns den Fahrplan präsentiert. Top Gästebetreuung, aber vermutlich wäre das auch einfacher gegangen. Wie in jeder Stadt Taiwans bisher, ist es eine unserer ersten Aufgaben an einem neuen Ort eine Nudelfrau unseres Vertrauens zu finden. Das ist zum Glück nicht so schwer, wir finden sie gleich um die nächste Ecke. Üblicherweise ist es ja bei Straßenständen so, dass der Mann unbeholfen aber mit viel Charme die Gästebetreuung übernimmt, während die Frau Bestellungen aufnimmt, kocht, serviert, abwäscht, kassiert und den Laden eigentlich alleine schupft. Auch bei diesem Lokal ist es nicht anders.

Am nächsten Tag treffen wir Michi in aller Frühe am Busbahnhof wieder um zur Taroko Schlucht zu fahren. Wir haben uns für den Tag nämlich Wander-Permits für den Zhuilu Old Trail gesichert. Das Kontingent ist begrenzt und die Tickets sehr beliebt, aber nachdem wir zwei Wochen auf der Warteliste waren, haben wir doch noch drei Plätze ergattert. Leider ist der Tag sehr vernebelt und so können wir nur erahnen, wie beeindruckend die Schlucht, die uns ein bisschen an Island erinnert, bei klarem Wetter sein muss. So sehen wir auch nicht, wie tief der Abgrund neben dem extrem schmalen Weg wirklich ist, verstehen aber trotzdem, warum dringend davon abgeraten wird die Wanderung mit Höhenangst zu machen. Wie immer in Taiwan werden wir auch hier von allen Wandergruppen, die wir am Weg so passieren, aufs allerherzlichste begrüßt. Am Abend heißt es dann noch Abschied nehmen von Michi, er verlässt unsere Unternehmung in Richtung Vietnam. Selber Schuld. War schön gemeinsam zu reisen und zur Feier unserer gemeinsamen Zeit gönnen wir uns natürlich wieder Nudeln von unserer Nudelfrau.

Am Tag darauf steht Radlfahren am Programm. Wir borgen uns zwei formschöne Trekkingräder aus und fahren den berühmten Küstenradweg hinunter, immer Richtung Süden. Was wir nicht bedacht haben, ist die Tatsache, dass der Küstenradweg mit einigen Bergwertungen daherkommt und wir somit nicht ganz so schnell vorankommen wie gedacht. Macht aber nix, die Landschaft ist nämlich vor allem eines: fantastisch. Links der Pazifik, rechts die Berge – einfach wunderbar. So oder so ähnlich stellen wir uns Hawaii vor. Nach einer ausgiebigen Jause am Gipfel einer kleinen Halbinsel machen wir uns wieder auf den Heimweg. Leider wieder mit Höhenmetern und neuerdings auch mit Gegenwind gespickt. Die Farbe der sich rasant vermehrenden Wolken deutet mit der Zeit auch immer mehr auf Regen hin. Zu guter Letzt schaffen wir es aber noch grade so vor dem Regen nach Hause. Was als gemütlicher Radausflug anfing war am Ende dann doch eine (gefühlte) halbe Tour-de-France Etappe.

Nächster Tag, nächste Unternehmung! Es geht Schlag auf Schlag, meine Damen und Herren. Hehuanshan heißt unser nächstes Ziel. Ein Gebirgspass am Ende der Taroko-Schlucht mit mehreren zu erkundenden Gipfeln. Nachdem uns der Weg durch die Schlucht und die Bergstraßen ein bisschen weit erscheint und (erstmalig) öffentlich nur sehr kompliziert zu erreichen ist, borgen wir uns ein Auto aus. Welches Auto könnte für die Bergstraße geeignet sein – richtig, ein Mitsubishi Lancer. Nachdem Flo Bettina verspricht die Etappe nicht wie eine Rallyesonderprüfung anzugehen, können wir auch schon starten. Die Strecke ist trotz Nebel wunderschön und wir haben das Gefühl, dass es sich alleine für die Autofahrt schon auszahlt herzukommen. Am Pass angekommen, lichtet sich der Nebel kurz und wir können für einen Moment die volle Aussicht genießen. Von den vielen Gipfeln des Hehuanshan haben wir uns dazu entschieden, den Nordgipfel zu besteigen. Gesagt, getan und ein bis zwei Stunden später sitzen wir schon am Gipfel und füttern die furchtlosen ansässigen Vögel. Die Aussicht ist wieder weg. Macht nix, die Vögel sind auch süß. Kurz bevor wir wieder beim Parkplatz ankommen, beginnt es zu regnen und es wird ziemlich kalt. So flüchten wir so schnell wir können in unser noch warmes Auto und warten den Regen ab. Flo versucht ein kleines Nickerchen zu halten, aber am Lenkrad schläft es sich nicht so gut – das Auto fängt dann nämlich wie durch Zauberhand zu hupen an. Und in einem hupenden Auto kann nun wirklich niemand schlafen. Nicht mal Bettina. Nachdem das Wetter nur noch schlechter wird, geben wir es auf und fahren in unsere Unterkunft. Nach einer heißen Dusche kuscheln wir uns in unsere Decken ein und sind froh, dass wir nicht hinaus ins Regenwetter müssen. Für uns heißt es nämlich Kimchiinstantnudel- und Filmabend.

Der nächste Morgen ist ein früher Morgen. Eigentlich ist der nächste Morgen noch eine Nacht. Aber was solls, wer den Sonnenaufgang sehen will, muss halt früh aufstehen. Wir schwingen uns mit müdem Aug in unseren Lancer und fahren die halbe Stunde Richtung Pass. Wie der Name schon suggeriert, haben wir uns für den Sonnenaufgang für den Ostgipfel entschieden. Goldrichtige Entscheidung, es ist klarer als am Vortag und wir genießen den Sonnenaufgang und die Landschaft. Nach dem Abstieg warten in unserem Hotel noch ein abenteuerliches taiwanesisches Frühstücksbuffet und zwei Stunden Schlaf auf uns, bevor wir uns wieder auf den Weg ins Tal machen. Weil wir an der Küste angekommen noch ein bisschen Zeit haben, bevor wir das Auto zurückgeben müssen, schauen wir noch bei den Qingshui-Klippen vorbei. Sehr beeindruckend! Und Ende.

Fazit: Die taiwanesische Nudel hat es uns wirklich angetan. In Hualien ist das Wetter nicht ganz auf unserer Seite. Baba Michi, schön wars gewesen. Spoiler-alert: Hehuanshan, wir kommen wieder.