Wir sind wieder in KL, der Stadt mit den Pools auf den Dächern. Oder genauer gesagt: Wir sind wieder in DEM Haus mit dem Pool auf dem Dach. Ach Ceylonz, wir haben dich vermisst. Unser Plan ist es, noch ein paar Tage am Pool zu entspannen, so oft wie möglich die leckeren Bowls von RAW zu essen und es uns so richtig gut gehen zu lassen, bevor wir uns in unser nächstes (eventuell nicht ganz so komfortables) Abenteuer stürzen. Das mit dem Essen bekommen wir hin, nur die Entspannung bleibt ein bisschen auf der Strecke. Die Organisationsarbeit für besagtes Abenteuer ist sehr viel zeitaufwendiger als geplant. Das liegt dieses Mal aber wirklich nur zum Teil an uns, vielmehr bekommen wir essentielle Infos und Packlisten, die wir eigentlich schon vor ein paar Wochen bekommen hätten sollen, erst jetzt. So rennen wir in der Zeit, die wir eigentlich am Pool verbringen wollten, wie aufgescheuchte Hühner zwischen Apotheke, Tauchshop und Sportgeschäft herum. Gut, dass man Sonntag abends in KL noch alles auftreiben kann. Nachdem schlussendlich alle Erledigungen erledigt sind, können wir doch noch ein paar entspannte Stunden am Pool mit der Skyline von KL im Hintergrund verbringen. Das Packen ist dieses Mal sehr viel mühsamer als sonst und unsere Rucksäcke stoßen wirklich an ihre Kapazitätsgrenzen. Kein Wunder, mit all dem Extrazeug, das wir besorgt haben. Als endlich alles verstaut ist und wir unsere Rucksäcke unter größten Anstrengungen in ihre Flughüllen gestopft haben, beginnt Flos Rucksack plötzlich zu vibrieren. Irgendwo in den Tiefen des Gepäcks hat sich anscheinend sein Rasierer eingeschaltet. Wir wissen nicht ob wir lachen oder weinen sollen. Kurz überlegen wir, ob wir es einfach ignorieren sollen bis die Batterie leer ist und sich das Problem von selbst löst, aber weil der Rasierer in unseren Köpfen gerade dabei ist, alles im Rucksack zu zerhäckseln, wird doch noch mal aus- und wieder eingepackt. Hätten wir uns übrigens sparen können. Keine Häckselgefahr. Wobei eine vibrierende Tasche am Flughafen vielleicht Misstrauen erweckt hätte.
Wie der Titel schon suggeriert geht es für uns nach Raja Ampat. Genau, Raja Ampat, DAS Tauchparadies in Indonesien mit einer der höchsten Biodiversitäten unter Wasser weltweit. Genau, Raja Ampat, gelegen in Westpapua, einem der Orte von dem uns unsere Tropenmedizinerin vor Beginn unserer Reise abgeraten hat („da braucht man wirklich nicht hinzufahren“). Aber was solls, die positiven Aspekte überwiegen ja wohl eindeutig und wir haben uns in KL mit Gelsenmittel eingedeckt und (fast) alle Medikamente besorgt, die uns empfohlen wurden.
Was genau uns erwartet wissen wir auch nicht ganz. Wir haben uns jedenfalls für drei Wochen bei einem Reef Conservation Projekt namens Barefoot angemeldet. Inklusive täglichen Tauchgängen zur Riffkonservierung und wohnen auf einer kleinen Trauminsel im Indopazifik. Exklusive fließendem Wasser und sonstiger Annehmlichkeiten, aber dazu später mehr.
Die Anreise ist natürlich ein bisschen mühsam. Von KL geht es erst nach Jakarta und von dort aus über Nacht weiter nach Sorong, dem Ausgangspunkt für Raja Ampat. Damit sind wir aber noch lange nicht am Ziel. Nach einem Tag in Sorong, an dem wir den besten gebratenen Reis überhaupt essen und von vermutlich jedem Einwohner mindestens einmal gegrüßt werden, treffen wir die sehr resolute Miss Lilly, die uns und die anderen Freiwilligen in Vans verfrachtet und zum Fährhafen transportiert. Von dort aus sitzen wir nur noch zwei Stunden in der Fähre und dann noch mal zwei Stunden auf einem kleinen Boot (dessen Motor immer wieder mal aufgibt) und dann sind wir auch schon da.
Vom ersten Blick an wissen wir, dass sich die lange Anreise absolut gelohnt hat. Wir sind im Paradies angekommen. Eine keine Insel mit weißem Sandstrand, Palmen und kleinen Holzhütten auf Stelzen im Meer. Dass wir schon auf den ersten paar Schritten vom Steg aus mehr Fische (und unseren ersten Babyhai) sehen, als bei jedem Schnorchelgang bisher, übersteigt definitiv unsere Erwartungen.
Arborek ist eine kleine, flache Sandinsel mit vielleicht zweihundert Einwohnern. Es gibt zwei Minishops, eine Kirche, eine Schule und einen Volleyballplatz. Und Hunde. Viele Hunde. Drei davon gehören zum Barefoot Camp und erobern Bettinas Herz im Sturm. Besonders der kleine Kentang (übersetzt: Kartoffel) hat es ihr angetan. Gut, dass er schon eine Besitzerin hat, sonst würden wir wohl mit einer süßen Kartoffel im Gepäck nach Hause kommen.
Unser Zuhause für die nächsten drei Wochen ist sehr einfach gehalten. In jeder Hütte stehen drei Stockbetten mit Moskitonetzen, Strom gibt es nur in der Nacht (oder zumindest in den meisten Nächten) und für die Klospülung muss man einen Kübel mit Meerwasser füllen. Dass es kein fließendes Wasser gibt haben wir ja gewusst, dass man aber nur einen halben Kübel Regenwasser pro Person und Tag zum „Duschen“ zur Verfügung hat, erfahren wir erst jetzt. Dieser Dusche fiebern wir jeden Tag schon freudig entgegen, wir sind nämlich nicht nur sandig und schweißig und salzig, nein, wir sind auch voller Essig. Richtig gelesen: Essig. Mit diesem spülen wir uns nämlich nach jedem Tauchgang die Ohren um Infektionen vorzubeugen. Und Ohreninfektionen hatten hier schon fast alle. Auch sonst ist das Thema Infektion hier ein heikles. Sobald man nur den kleinsten Schnitt, Kratzer oder sonstige offene Stelle am Körper hat, wimmelt es an dieser Stelle nur so von Fliegen. Besagte Fliegen sind einerseits unendlich lästig und neigen andererseits dazu die offene Wunde zu infizieren. Ja, das Leben im Paradies ist hart.
Unseren Tagesablauf könnt ihr euch ungefähr so vorstellen: Nach einer kleinen morgendlichen Sporteinheit für alle die sich aufraffen können (Spoiler: nur eine/r von uns) gibt es ab ca. sieben Uhr Frühstück. Danach bereiten wir alles für den ersten Tauchgang des Tages vor und bekommen ein kurzes Briefing über den Tauchspot und was uns dort so erwartet. Nachdem wir mit dem Boot wieder zurück kommen gibt es Mittagessen und dann heißt es schon wieder vorbereiten für den nächsten Tauchgang. Eigentlich wären für die Nachmittage Sozialprojekte (z.B. Schwimm- oder Englischkurse für die Kinder der Insel) vorgesehen gewesen. Besagte Projekte gibt es allerdings zur Zeit leider nicht. Warum auch immer. So genießen wir die Nachmittage nach unserer Regenwasser-„dusche“ mit den anderen Freiwilligen. Da wir uns mit den andern Freiwilligen ausgesprochen gut verstehen, vergehen die Nachmittage und Abende viel zu schnell. Es wird viel Karten oder Tischtennis gespielt, geschnorchelt oder einfach nur geschlafen. Nach dem Abendessen werden noch die Geschehnisse des Tages besprochen sowie der Plan für den nächsten Tag ausgegeben. Danach lassen wir den Tag meistens am Steg mit Blick auf den Sternenhimmel (man kann die Milchstraße sehen!) oder aufs Meer (es tauchen immer mal wieder Delfine und Wale auf) ausklingen. Es gefällt uns nicht schlecht, mal wieder einen halbwegs geregelten Tagesablauf zu haben.
Während unserer ersten Inselwoche machen wir unseren Advanced Open Water Tauchschein. Wir können euch sagen, es fällt uns sehr schwer uns auf die Übungen zu konzentrieren, da um uns herum Mantas (MANTAS!!), Riffhaie (HAIE!!), Wobbegongs (WOBBEGONGS!!) und Milliarden anderer Fische ihr schönes Unwesen treiben. Am Ende bekommen wir aber trotzdem unseren Tauchschein. Als frischgebackene Advanced Open Water Tauchschein Besitzer werden wir nun ab der zweiten Woche in den normalen Tauchgangablauf von Barefoot eingebunden. Sprich: Montag bis Freitag Tauchgänge um Mantas zu identifizieren oder den Zustand der Riffe zu checken, samt Vorträgen und Prüfungen (!) um das nötige Hintergrundwissen zu erlangen. Samstags gibt es dann Fun Dives zu den schönsten Tauchplätzen von Raja Ampat. Und damit zu den schönsten Tauchplätzen der Welt. Wir sprechen hier von gigantischen Korallengärten in leuchtend bunten Farben, beeindruckenden Riffwände an denen es vor Fischschwärmen nur so wimmelt und natürlich elegant über uns hinwegschwebenden Mantas. Abends gibt es die Möglichkeit, in einem der beiden Minishops Bier zu kaufen, oder – für die mutigeren – Sopi. Was genau Sopi ist wissen wir nicht, nur, dass es selbst gebraut ist, stark nach Benzin riecht und noch schlimmer schmeckt und in einem zugeknöpften Plastiksackerl kommt. Als würde man einen Goldfisch kaufen, nur halt ohne Goldfisch. Wir sind Sopi gegenüber ja eher skeptisch, aber ein paar der anderen Freiwilligen behaupten, dass es anfängt besser zu schmecken, je länger man auf der Insel ist. Sonntag ist tauchfreier Tag, an dem gegen die Einheimischen Volleyball gespielt wird. Auf einer Insel, die komplett aus Sand besteht ist der Volleyballplatz natürlich das einzige betonierte Fleckchen. Gespielt wird streng nach den Hallenregeln der FIVB inklusive Schiedsrichter mit Pfeife und allem drum und dran. Uns lässt das Gefühl nicht los, dass bei den Ausländern noch ein bisschen penibler gepfiffen wird als bei den Einheimischen. Nicht, dass sie es nötig gehabt hätten, sie machen uns so oder so komplett fertig. Wer hätte gedacht, dass es hier so viele Volleyballprofis gibt.
Auch Mittwoch ist immer ein besonderer Tag, da kommt nämlich das Boot mit frischem Proviant. Sprich es gibt wieder frisches Obst und Gemüse. Es kommt nämlich schon mal vor, dass es Montag und Dienstag nur mehr Reis und Toastbrot gibt. Aber nicht nur das Essen ist knapp bemessen, wegen der anhaltenden Trockenperiode wird auch das „Dusch“wasser knapp. So wird aus unserem halben Kübel pro Tag schnell nur mehr ein Schöpfer. Solange alle ein bisschen stinken, fällt es nicht so auf, dass wir auch ein bisschen stinken. An dieser Stelle möchten wir noch einmal betonen, wie unangenehm es ist, den ganzen Tag sandig und schweißig und salzig (und voller Essig) herumzulaufen. Aber man gewöhnt sich ja an alles. Trotzdem ist die Erleichterung groß, als es endlich regnet und mit Regen meinen wir nicht ein Tröpfchen hier, ein Tröpfchen da – wenn es hier regnet dann so richtig. Der 1100 L Regenwassertank ist innerhalb einer halben Stunde wieder voll. Es werden alle ein bisschen verrückt vor Freude und waschen ihre Kleidung und vor allem sich selbst wild herumtanzend im strömenden Regen.
Auch wenn die Organisation des Camps an sich nicht unseren Erwartungen entspricht, werden wir von der Unterwasserwelt bei jedem Tauchgang aufs Neue begeistert. Es ist einfach unendlich schön hier. Bei den Tauchgängen zur Manta Identifizierung müssen wir uns an den sandigen Meeresboden drücken, sodass die Mantas direkt über uns hinwegschweben. Einmalig! Bei einigen anderen Tauchgängen gilt es wiederum die von der Organisation angelegten Korallengärten von Algen zu säubern. Eine sehr meditative Arbeit – manchmal helfen ein paar Fische in dem sie die frisch abgeschrubbten Algen gleich fressen. Ein anderes mal schwimmt eine Schildkröte vorbei und schaut was hier eigentlich so vor sich geht. Leider sind wir nur drei Wochen hier, sodass wir nur zu wenigen wirklichen Riff-Check Tauchgängen kommen, da es doch ein bisschen dauert, bis wir alles dazu gelernt haben. Hierbei müssen bestimmte Fische von anderen auseinander gehalten werden (gar nicht so leicht bei der unendlichen Anzahl an verschiedenen Arten die es hier gibt), Korallenarten unterschieden und etwaige Beschädigungen erkannt werden, und bestimmte wirbellose Tiere entdeckt und gezählt werden. Gar nicht leicht, aber super interessant und Spaß macht es auch. Überhaupt genießen wir es sehr, so viel über die Welt und die Zusammenhänge unter Wasser zu lernen und zu entdecken.
Schlussendlich vergehen unsere drei Wochen auf der Insel wie im Flug. Wir sind ein bisschen zwiegespalten: Einerseits würden wir gerne noch viel mehr Zeit mit den anderen Freiwilligen verbringen und jeden Tag die MeeresbewohnerInnen bei ihren täglichen Erledigungen beobachten. Andererseits freuen wir uns doch auch schon wieder auf die Annehmlichkeiten des modernen Lebens. Sprich vor allem einer nach Möglichkeit warmen Dusche, bei der das Wasser wie durch Zauberhand aus einer über unseren Köpfen befestigten Leitung strömt. Und, obwohl das Essen auf der Insel sehr gut war, eine gewisse Abwechslung auf unseren Speiseplänen. Also heißt es Schuhe an (zum ersten mal seit drei Wochen) und wir fahren mit vielen tollen Erinnerungen im Gepäck wieder in Richtung Sorong. Dort übernachten wir noch einmal, werden in unserem Fried Rice Lokal von Besitzern und (offensichtlichen) Stammgästen sofort wiedererkannt und herzlich begrüßt. Danach geht es für uns als kleines Kontrastprogramm zum beschaulichen Inselleben direkt weiter in zwei der größten Städte der Welt. Mal schauen ob wir noch wissen wie man sich im „normalen“ Stadtleben so verhält. Raja Ampat, wir werden alles was dich ausmacht sehr vermissen und, wenn unsere Finanzberater das OK geben, sicher wieder kommen.
Fazit: Trockenzeit ist Stinkezeit, dafür gibts kaum Moskitos. Trauminseln sind lebensfeindlicher als gedacht. Wir haben schon lange keine Prüfungen mehr gemacht. Tauchen ist wirklich eine tolle Freizeitbeschäftigung. Arborek ist wohl die geheime Volleyballhauptstadt. Unsere neuen Lieblingsfische: Wobbegong und Redtoothed Triggerfish (und Mantas natürlich, aber wer findet die nicht cool?).