Oder: Mexiko in Feierlaune

Schlussendlich können wir uns doch noch von Mexico City losreißen. Unser nächstes Ziel heißt Guanajuato, eines der vielen „pueblos mágicos“, also der magischen Dörfer. Wir haben ja schon einige wilde Busfahrten auf dieser Reise hinter uns, und was sollen wir sagen, in Mexiko gibt es diesbezüglich nichts interessantes zu berichten, die Busse sind schön, pünktlich, luxuriös und man hat seinen eigenen Sitzplatz, den man nicht mit einem Huhn teilen muss. In Guanajuato angekommen sind wir gleich von der Stadt begeistert: es ist bunt, es wuselt in den vielen kleinen, verwinkelten Gässchen und wir haben ein schönes AirBnB mitten in der Altstadt. Die Stadt würde sich perfekt für Schnitzeljagden eignen, denn in den labyrinthartigen Gassen, die oft plötzlich zu Tunnel, Brücken oder Treppen werden kann man sich hervorragend verlaufen. Passiert uns natürlich nie. Aber wenn man ohne Ziel herumschlendert, kann man es auch gut vertuschen, wenn man von seinem Standort überrascht wird. Was uns auch sehr an Guanajuato gefällt ist, dass immer etwas los zu sein scheint. So stolpern wir nicht nur in eine Uniabschlussfeier mit Livemusik, sondern auch in einen Hochzeitsumzug mit überlebensgroßen, tanzenden Brautpaarpuppen.

Wir nutzen die umliegenden Berge für eine kleine Wanderung und sie ist genau so, wie man es sich eine Wanderung in Mexiko so vorstellt. Karg, heiß, sehr schön und mit vielen Kakteen. Wir sehen sogar einen Adler oder Geier. Oder ein anderes großes Federviech halt. Was wir leider am Weg zurück auch sehen, ist eine Herde von Stieren. Mitten am Weg. Aufgrund Flos galoppierender Angst davor auf die Hörner genommen zu werden, müssen wir großräumig ausweichen. Ansonsten eine sehr gelungene Wanderung mit schönen Aussichten.

Guanajuato war übrigens früher eine der wichtigsten und reichsten Städte Mexikos – wegen seiner Silbervorkommen. Das manifestiert sich heute vor allem darin, dass sich ein Silberschmuckgeschäft an das nächste reiht. Es gibt vielleicht fast so viele Silberschmuckgeschäfte wie Kirchen, und das soll wirklich was heißen! Außerdem gibt es einen ‚Kussbalkon‘. Die dazugehörige Geschichte ist von verfeindeten Familien, Liebe und Drama geprägt. Am Ende sind übrigens alle tot. Erinnert uns sehr an Romeo und Julia. Die Schlange an Menschen, die sich am Kussbalkon küssen möchten ist uns aber deutlich zu lange, und Eintritt für einen Balkon zahlen wir auch nicht so gerne. Da sitzen wir lieber bei einem Getränk auf einem der vielen normalen, vollkommen mordgeschichtsfreien Balkone der Stadt und beobachten das geschäftige Treiben auf den Straßen.

Wir wären eigentlich noch gerne ein, zwei Tage länger in Guanajuato und seinen süßen Gässchen geblieben, jedoch hat unsere Unterkunft kein Zimmer für uns frei. Umzuziehen erscheint uns dann doch als zu großen Aufwand und deshalb fahren wir einfach weiter. Nach Guadalajara, der Stadt mit 25% mehr „a“ als Antananarivo, nämlich.

Weil wir erst am Abend in Guadalajara ankommen fällt uns als erstes auf, dass es erstaunlich dunkel in der Millionenstadt ist. Es gibt überraschend wenig Straßenbeleuchtung, dafür umso mehr Stacheldraht über den Gartenzäunen. Auf dem Weg zum Hostel fragen wir uns, ob die Unterkunft vielleicht nur deshalb so billig war, weil sie in einer nicht ganz so sicheren Gegend liegt. Spätestens als ein Van hinter uns abbremst und ein Stückchen im Schritttempo neben uns herfährt fangen wir an, an unserer Entscheidung, hier herzukommen, zu zweifeln. Recht unheimlich die ganze Situation. Am Ende will der Fahrer uns aber einfach nur nach dem Weg fragen. Wir bezweifeln ja schon, dass wir mit unserem Doppelbackpacklook besonders ortskundig ausschauen, aber okay.

Bei Tageslicht schaut Guadalajara schon ganz anders aus. Viel einladender und weniger Narcos-mäßig. Es ist Sonntag, was viele Floh-, Kunst- und Essensmärkte aus dem Boden sprießen lässt. In einem Park treffen wir auf ungefähr 30 Leute, die zu den Klängen eines DJs ihre ausgefallensten (AUSGEFALLENSTEN!) Tanzmoves zum Besten geben. Wir bleiben stehen, schauen uns das kuriose Spektakel an und fragen uns, wie die bunte Truppe zusammengefunden hat. Hochmotiviert mit von der Partie sind zum Beispiel ein älterer Herr mit Gehstock, ein Typ ohne Leiberl, dafür aber mit Afroperücke, eine etwa siebzig jährige Lady in pinker Paillettenhose und ein Anzugträger mit Fahrradhelm auf dem Kopf. Es ist einfach fantastisch! Wir werden aufgefordert mitzumachen uns so tanzen wir an diesem 35 °C heißen Sonntagnachmittag in einem Park in Guadalajara und haben die beste Zeit überhaupt. Als der DJ eine Stunde später die Show beendet wird ihm sogar mit dem Gehstock gedroht.

Abgesehen von unserer Tanzsession im Park bewegen wir uns in Guadalajara so wenig wie möglich. Die Stadt, die übrigens so gut wie keine Schattenplätzchen zu bieten hat, wird nämlich gerade von einer Hitzewelle heimgesucht. Bei über 40 °C verlassen wir unseren Platz vorm Ventilator nur sehr ungern und wagen uns gefühlt nur zum Essen vor die Tür. Einmal besuchen wir zwar ein Museum, aber sind wir uns ehrlich: Die Ausstellung interessiert uns nicht wirklich. Der wahre Grund warum wir hier sind, ist die Klimaanlage.

An unserem letzten Abend in Guadalajara schauen wir uns die Meeresdoku „Deep Rising“, die im Rahmen des gerade stattfindenden Filmfestivals gezeigt wird, an. Sehr interessant aber auch unendlich deprimierend, wie der Mensch die Ozeane zerstört.

Fazit: „Pueblos mágicos“ sind irgendwie magisch. Nicht zu viele Drogenkartell Serien schauen, bevor man nach Mexiko fährt, das macht paranoid. Man sollte viel öfter mit Fremden im Park tanzen. Die Hitze macht uns fertig.