Nachdem wir die Nacht in einem Bus verbracht haben, kommen wir viel früher als gedacht in Antigua an. Bei Nachtbussen ist das aber selten eine gute Nachricht, immerhin muss man so mehr Zeit totschlagen, bis man sein Zimmer beziehen kann. Wir sandeln also mal wieder in einem Cafe herum und tagträumen von einer Dusche, als wir von einem Ami angesprochen werden, der gerade seine missionierende Tochter in der Stadt besucht. Schnell kennen wir seine halbe, sehr gottgeprägte Lebensgeschichte. Seine Einladung zum Gottesdienst müssen wir aber ablehnen. Aus Überzeugung. Als wir endlich unsere Sachen in der super schönen Unterkunft abgeben können und uns wieder frisch und unternehmungslustig fühlen, erkunden wir die hübsche Kolonialstadt ein bisschen. Bunt ist es hier. Und weil Antigua von drei Vukanen (Fuego, Acatenango und Agua) umgeben ist kann man immer mindestens einen sehen. Also theoretisch zumindest. Weil es eigentlich immer wolkig ist, sieht man meistens gar nix. Also müssen wir näher ran. Und zwar an den Fuego, den aktiven der drei Vulkane. Eh klar.
Unsere Vulkantour startet mit einem ausgiebigen Frühstück in der Agentur, wo wir auch unseren Proviant und Wasser für zwei Tage bekommen. Das müssen wir nämlich selbst den Vulkan raufschleppen. Eine ziemlich schwere Angelegenheit. Nach einer kurzen Fahrt kommen wir am Fuße des Acatenango, dem inaktiven Nachbarvulkan vom Fuego, an. Dort heißt es dann „Follow the Victor“ und unsere bunt gemischte Gruppe beginnt sich mit all ihrer Verpflegung den Vulkan raufzuquälen. Es ist von Anfang an ziemlich steil, aber die abwechslungsreiche Umgebung, die sich von der anfänglichen Feldlandschaft über tropischen Nebelwald und Nadelwälder bis hin zur trockenen Vulkanlandschaft ändert, lenkt uns ein bisschen davon ab. Und die Straßenhunde. Die begleiten uns nämlich ziemlich motiviert bis zum Basecamp (vielleicht auch nur, weil wir von der Agentur extra Hundefutter mitbekommen haben). Von hier aus hat man den perfekten Blick auf den alle zehn Minuten ausbrechenden Fuego. Also wieder theoretisch. Leider ist es auch hier wolkenverhangen und so können wir immer nur kurze Blicke auf den rauchenden Fuego erhaschen.
Nach einer kurzen Verschnaufpause bekommen wir die Wahl den Abend entweder im Basecamp zu verbringen, oder einen kleinen vierstündigen Abstecher direkt zum Fuegokrater zu machen und uns das Ganze aus der Nähe anzuschauen. Die Entscheidung fällt allen sehr leicht. Allerdings will zu unserer Überraschung fast niemand näher an den Vulkan ran. Wir verstehen die Welt nicht mehr. Da kämpft man sich schon super steile 1400 Höhenmeter rauf und dann gibt man einfach auf? Es finden sich nur drei andere, die sich das Spektakel auch nicht entgehen lassen wollen. Leider sind das eigentlich zu wenige, aber unser Guide erbarmt sich und macht die Extratour trotzdem. Ausgestattet mit Stirnlampen und unserer gesamten warmen Kleidung machen wir uns also auf den Weg um all die schönen Höhenmeter am Acatenango wieder runterzugehen, nur um sie danach am Fuego wieder rauf zu gehen. Nicht unanstrengend, vor allem wegen der losen Steine und der Vulkanasche, die uns immer wieder ein Stück abrutschen lassen. Aber wenigstens müssen wir den Proviant nicht mehr mittragen. Als wir am Grat des Fuego, nur ca. 400 Meter vom Krater entfernt völlig fertig ankommen zweifeln wir dann doch an unserer Entscheidung. ES IST IMMER NOCH WOLKENVERHANGEN. Wir sehen also nix. Nada. Niente. Außerdem ist es windig und arschkalt. Aber wir haben Glück. Kurz vor Sonnenuntergang reißt es auf und die Laune unserer Gruppe bessert sich schlagartig. Es ist die absolute Reizüberflutung. Links von uns haben wir einen Blick auf Antigua und den Agua, den dritten Vulkan im Bunde. Rechts von uns sehen wir über eine spektakuläre Berglandschaft bis zum See Atitlán, über dem gerade Blitze über den Himmel zucken. Und vor uns haben wir freie Sicht auf den Fuego Krater, hinter dem gerade die Sonne untergeht. Und wir sehen den Vulkan nicht nur, wir riechen ihn auch und wir spüren wie er beim ausbrechen vibriert. Das Geräusch, das er dabei von sich gibt werden wir wahrscheinlich nie vergessen.
Immer wieder spuckt der Fuego riesige Rauchwolken in den Himmel und als es schließlich ganz dunkel ist, sehen wir auch die roten Lavaspritzer. Wir kommen aus dem Grinsen gar nicht mehr heraus. Es ist einfach der Wahnsinn. Kurioses Detail am Rande: An unserem Aussichtspunkt findet unser Guide ein Huhn. Genau, ein Huhn. Was es mitten in der Vulkanasche verloren hat wissen wir wirklich nicht. Unser Guide erbarmt sich und bietet ihm einen warmen Platz in seiner Jacke. Irgendwann halten wir die Kälte nicht mehr aus, es sind uns gefühlt schon alle Finger und Zehen abgefroren und wir müssen schweren Herzens den Rückweg antreten. Also im Dunkeln den Fuego runter und den Acatenango wieder rauf. Keine Angst, das Huhn haben wir mitgenommen und in einer hühnerlebensfreundlicheren Umgebung wieder ausgesetzt. Zurück im Basecamp sind wir ziemlich fertig, aber glücklich. Das Abendessen schmeckt nach dem Tag besonders gut und unter drei Decken ist es auch nicht mehr ganz so kalt.
Der nächste Tag beginnt viel zu früh. Um 3:45 nämlich. Diese Sätze müssen wir eindeutig viel zu oft schreiben. Aber wer was erleben will, muss anscheinend den frühen Wecker stellen. Und das ohne Schlummern. An diesem Tag wars eher umsonst. Der Gipfelsturm des Acatenangos steht an, von wo aus man nochmal einen spektakulären Blick auf den Fuego von oben haben soll. Blöd nur, dass das Wetter nicht auf unserer Seite ist. Fünf Minuten nachdem wir los gegangen sind, beginnen die Guides die Gäste zu fragen ob wir weiter gehen sollen. Schlechtes Zeichen. Nachdem sich keiner dazu berufen fühlt, eine Entscheidung zu treffen (wie auch?), gehen wir halt weiter. Der Spaß hält sich bei dichtem Nebel und extrem starken Wind in Grenzen, aber schließlich schaffen es alle auf den Gipfel. Dort ist das Wetter unverändert, es ist kalt, nass und es gibt nicht das geringste bisschen Aussicht. Eigentlich warten wir nur darauf, wieder runter gehen zu können. Das Wind ist inzwischen übrigens so stark, dass man den Fuß oft nicht dort aufsetzt, wo es geplant war, weil das Bein einfach verweht wird. Allein würden wir bei solchen Bedingungen ja nicht auf den Berg gehen, aber mit Guides denkt man halt, dass die schon wissen werden, was sie tun.
Fazit: Vulkane sind der Wahnsinn. Im Allgemeinen bevorzugen wir ja Schönwetterwanderungen. „Follow the Victor“ ist vielleicht doch nicht immer ganz so clever. Wir lieben Vulkanvibrationen.