Wir sind also zurück vom Vulkan. Zurück in Antigua in einer neuen Unterkunft. In diesem, sehr schönen, aber auch sehr hellhörigen Hostel werden wir Zeugen kultivierter und motivierender Mitarbeiterführung. In der Früh kommt der (offensichtliche) Chef des Hostels zu Besuch um zu sehen, wie es läuft. Auf uns wirkt er eigentlich ganz nett. Plötzlich beginnt jedoch eine halbstündige Schimpftirade gegenüber gefühlt aller seiner Mitarbeiter, die wir so auch noch nicht erlebt haben. Über den/die Auslöser wissen wir nicht Bescheid, da unser Zimmer jedoch direkt neben der Rezeption liegt, und, ihr erinnert euch, dem Hostel eine gewisse Hellhörigkeit anhaftet, bekommen wir so ziemlich alles mit. ‚No más, no más!‘ hören wir den erzürnten Chef immer wieder schreien. Ob Kündigungen (von welcher Seite auch immer) folgten ist an dieser Stelle nicht überliefert. Zeit für uns weiterzufahren, denn wir haben was Neues ausgeheckt. Bettina wird einen Spanischkurs machen, damit sie in Zukunft mehr kann als bei jedem Gespräch nur lächelnd zu nicken, ohne eine Ahnung zu haben worum es eigentlich geht. Dazu reisen wir zum Lago Atitlán. Bevor der Kurs beginnt, verbringen wir noch eine Nacht in Panajachel am Nordostufer des Sees und können unseren Augen kaum glauben. Der Atitlán See ist atemberaubend schön. Ehrlich gesagt wäre er alleine schon sehr schön, dass die Ufer jedoch mit drei Vulkanen gespickt sind machts schon noch ein bissi besser. Das großartige Panorama lädt geradezu dazu ein, am Ufer zu sitzen und weltbewegende Gedichte oder Reime zu verfassen. Oder Gschichtln halt. Oder man ist selbst dafür zu faul und geht lieber Pizza essen, so wie wir (mehrmals). Neben dem besten Seepanorama hat Panajachel nämlich auch die beste Pizza Guatemalas zu bieten. Kleiner Funfact: Beim Pizzaessen fühlen wir uns in Lateinamerika immer noch gefräßiger als eh schon. Wenn wir nämlich (jeder für sich) eine große Pizza bestellen werden wir doch das eine oder andere Mal schief angeschaut. Große Pizze sind nämlich grundsätzlich nur für Großfamilien gedacht. Ist uns aber egal und wir essen ja eh auf.
Weiter gehts nach San Pedro Atitlán. Mit dem Boot über den malerischen See. Gut, dass wir uns beim Unterkunftsbesitzer in Panajachel noch informiert haben, wo die Boote losfahren. Wir erwischen trotzdem eines der vielen inoffiziellen Boote. Wenigstens ist unser (also eigentlich nur Flos, aber das wird sich ja jetzt ändern) Spanisch gut genug, dass wir nicht noch extra abgezockt werden, wie es schon anderen Gringos passiert sein soll. Und in Seenot geraten wir auch nicht, also alles gut. In San Pedro steht einiges am Programm. Vor allem für Bettina, denn ihr Spanischkurs steht an. Zusätzlich werden wir bei einer Gastfamilie wohnen und wir haben, mal wieder, richtig richtig Glück. Unsere Gastfamilie, bestehend aus Luis, Leti und Luis Jr. Mendez, ist super lieb und Leti kocht auch noch fantastisches guatemaltekisches Essen für uns. Bettina verbessert vormittags ihre Spanischkenntnisse in einer Outdoor-Sprachschule mit herrlichem Blick auf den See. Die Nachmittage nutzen wir für Kayakfahren, Kaffeetrinken und auf den See schauen oder für Ausflüge in die Nachbarorte. Zum Beispiel in die Hippiestadt San Marco. Die (diesmal offizielle) Bootsfahrt ist sehr holprig und San Marco ist unserer Meinung nach nicht ganz so sehenswert. Trotzdem kann auch San Marco mit den vermeintlich tollsten Ausblicken auf den See und die Vulkane aufwarten. Deshalb sind wir durchaus zufrieden mit unserem Ausflug.
Bettinas Sprachschule bietet auch Nachmittagsaktivitäten an und so finden wir uns mehr (Bettina) oder weniger (Flo) enthusiastisch in einer Salsa-Klasse wieder. Wir geben beide unser Bestes, mit mehr (Bettina) oder weniger (Flo) Erfolg. Es ist jedoch auch so, dass, laut Salsalehrer, europäische Hüften maximal ungeeignet für Salsarhytmen sind. Flo kann seine offensichtlich sehr europäische Hüfte dementsprechend nicht ganz so einsetzen wie es angebracht wäre. Aber er bemüht sich und ist zumindest nicht der schlechteste anwesende Tänzer. Wir genießen unsere Zeit in San Pedro sehr, Bettina schaut sich noch eine Schokofabrik (‚Fabrik‘ ist hier eher im Sinne von ‚Schokolade-machen-im-eigenen-Wohnzimmer‘ zu verstehen) an und wir machen noch einen Sonnenaufgangsspaziergang zum rostro maya mit noch tollerer Aussicht auf den See und Aussicht auf diesmal fünf Vulkane. Am sprachschulfreien Samstag machen wir einen Tagesausflug zum vermeintlich größten Markt Guatemalas/Mittelamerikas/Amerikas/der Welt – je nachdem wen man fragt. Der Markt ist ganz nett, denn die ganze kleine Stadt mit dem klingenden Namen Chichicastenango verwandelt sich in einen Outdoor Markt, aber um einiges kleiner als erwartet – der größte der Welt ist er schon mal sicher nicht. Der größte Markt von ganz Chichicastenango aber allemal. Wir lassen uns durch die bunten Gassen treiben und sehen Mayakleidung ohne Ende. Wirklich schön ist die Gemüseabteilung des Marktes, wo es gefühlt alles gibt was die guatemaltekischen Felder so hergeben. Dass die Gassen im Laufe des Vormittages immer voller werden stößt bei uns auf gemischte Gefühle. Bettina freut sich sehr und ist auch ein bisschen stolz, dass auch sie mal über alle Köpfe hinwegblicken kann, denn die Guatemalteken überragt sie locker. Flo hingegen wird von einigen Mayafrauen mit sehr tiefem Schwerpunkt durch gekonnte Tacklings auf Kniehöhe immer wieder aus dem Gleichgewicht gebracht. Als wir zu Mittag dem bunten Treiben in einen gemütlichen, entspannten Innenhof entfliehen, fühlen wir uns frappant an Marrakesch zurückerinnert.
Schlussendlich geht unsere Woche in San Pedro wieder einmal viel zu schnell vorbei und so heißt es Abschied nehmen von unserer herzlichen Gastfamilie Mendez und von den Ausblicken auf den Lago Atitlán. Für uns gehts wieder zurück nach Antigua, wo wir uns wieder die schöne Unterkunft gesichert haben (die ohne den cholerischen Chef) und auch noch endlich freie Sicht auf, Überraschung, die Vulkane haben. Zum Abschied bietet uns Guatemala noch ein Freiluftkonzert am Hauptplatz Antiguas, das wir mit einem Getränk in der Hand genießen und nochmal Revue passieren lassen, wie schön es in Guatemala eigentlich ist. Sehr nämlich. Absolute Reiseempfehlung von unserer Seite. Zur wieder mal sehr frühen Stunde fahren wir am nächsten Tag zum Flughafen nach Guatemala City und müssen dort wieder mal ein paar Stunden warten bis es weiter geht. Die diesmal äußerst günstige Flugzeit wird durch äußerst schlecht getimte Busverbindungen aus Antigua leider ausgehebelt. Was solls, während wir beide müde am Flughafen warten, freuen wir uns schon auf das, was die nächsten Tage vor uns liegen wird: Tacos, Tacos, Tacos. Wer ein bisschen Glück beim denken hat, wird gleich wissen wo es für uns hingeht. Genau, in unsere nordamerikanische Wohlfühlstadt mit dem guten Essen. Wir wohnen wieder in unserem Lieblingsviertel, klappern all die guten Restaurants und Tacostände, die wir letztes Mal kennengelernt haben ab und kaufen das ein oder andere Mitbringsel. Da wir aber, wie oben erwähnt, sehr gefräßig und auch ein bisschen neugierig sind, probieren wir auch neue Essenssachen aus. Soll niemand behaupten wir wären Gewohnheitstiere. Einen kleinen Dämpfer bekommt unsere Laune nur, als wir nichtsahnend zu einem unserer Lieblingstacoläden schlendern und vor verschlossenen Türen stehen. Und zwar nicht ‚Wir haben heute einen freien Tag‘-verschlossen sondern eher ‚Die Behörden haben unser Restaurant dicht gemacht‘-verschlossen. In Anbetracht der Tatsache, dass wir hier am Vorabend noch ausgiebigst diniert haben hoffen wir, dass die Lokalschließung nichts mit Ratten in der Küche à la Ratatouille zu tun hat. Andererseits hats geschmeckt, unsere Mägen halten inzwischen sowieso alles aus und wir sind froh, dass wir zumindest noch einmal vor dem kläglichen Ende des herausragenden Orinocos zuschlagen konnten. Was wir noch Neues lernen: Tacoessen ist Ehrensache. Man muss schon selbst mitzählen wie viele man hatte bevor man bezahlt.
So lassen wir unsere ersten Reisezweidrittel ausklingen und freuen uns auch schon sehr auf euch und good old Graz, wo wir die nächsten Wochen verbringen werden, bevor wir das südlichere Amerika erkunden werden.
Fazit: Leti ist die beste Köchin Guatemalas. Mayafrauen wären gut in Kontaktsportarten. Wir lieben die Ausblicke in Guatemala. Flo hat eine ausgesprochen europäische Hüfte. Bettina kann eine neue Fremdsprache (also so halb). Guatemala mögen wir sehr.