Oder: Kambodschas dunkle Vergangenheit

Wir werden nie verstehen, warum es in Südostasien prinzipiell bei JEDER Busfahrt eine mindestens 20 minütige Pause gibt, gerade mal zehn Minuten bevor der Bus sein Ziel erreicht. Die Fahrt von Siem Reap nach Battambang (sprich: Ba-ddam-bou, oder so ähnlich) bildet da natürlich keine Ausnahme und wir stehen mal wieder blöd in der Gegend herum, während unsere einheimischen Mitreisenden an der Raststation Essen bestellen, als wäre es die letzte Möglichkeit für Wochen. In Battambang angekommen gibt es eine böse Überraschung für Bettina. Ihr Rucksack hat während der Fahrt im Busladeraum Benzin abbekommen. Nicht ganz so angenehm, wenn sich das gesamte Hab und Gut in besagtem Rucksack befindet. Die nächsten Tage werden also sämtliche Tipps und Tricks ausprobiert, die das Internet zum Thema Benzinentfernung hergibt. Funktioniert so mittelprächtig, aber es besteht zumindest keine Gefahr mehr, dass der Rucksack spontan in Flammen aufgeht.

Battambang ist eine sehr heiße, trockene und staubige Stadt mit französischer Kolonialarchitektur. Wir sind aber nicht wegen der Stadt selbst hier, sondern wegen Phare Ponleu Selpak, einer Kunst- und Zirkusschule für Kinder. Es ist ein wirklich schönes Projekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kindern der Umgebung eine Ausbildung zu ermöglichen. Ein paar Mal die Woche geben die Zirkusschüler in abendlichen Aufführungen kleine Kostproben ihres Könnens zum Besten. Bevor die Show beginnt, schauen wir uns noch eine Ausstellung der Malereischüler an und schlendern ein bisschen über das bunte Gelände der Schule. Die Performance der Zirkusschüler ist großartig. Wir werden von der lustigen Aufführung köstlich unterhalten und sind von der akrobatischen Leistung der Kinder begeistert. Außerdem gibt es Popcorn, der Abend könnte also nicht besser laufen.

Abgesehen von Phare Ponleu Selpak kann uns Battambang allerdings nicht so richtig überzeugen und so nehmen wir einen Bus in die Hauptstadt, Phnom Penh. Während der Fahrt schauen wir lieber nicht aus dem Fenster, der Busfahrer hat vermutlich in Nepal Fahren gelernt. Oder, was noch wahrscheinlicher ist, gar nicht. An einer Raststation (natürlich mal wieder nur ein paar Kilometer vor dem Ziel) kommen wir mit einem älteren Mann ins Gespräch, der uns sofort bei seinem Sohn in Phnom Penh einquartieren will. Wir bereuen es sehr, dass wir genau dieses Mal schon eine Unterkunft vorgebucht haben.

Unsere Hotel liegt direkt neben der „Olympia City“ mit all ihren olympischen Sportplätzen, olympischen Hotels, olympischen Zahnarztpraxen und olympischen Kosmetiksalons. Olympische Spiele haben hier zwar noch keine stattgefunden, aber so viel sei gesagt: Kambodscha ist jederzeit bereit.

In Phnom Penh ist der Verkehr fast noch irrsinniger als in Siem Reap, deswegen ziehen wir es nicht mal in Betracht, uns Fahrräder auszuborgen. So heuern wir für den nächsten Tag ein Tuktuk an. Unser Fahrer bringt uns sehr viel schneller ans Ziel, als von Google Maps berechnet und bringt dabei unser Leben nicht öfter als unbedingt nötig in Gefahr. Unser erste Stopp sind die Killing Fields. Der Name lässt nicht viel Interpretationsspielraum. Die Anlage war eine von vielen in Kambodscha, die die Khmer Rouge vor nicht mal 50 Jahren nutzten, um das Land von „Staatsfeinden“ zu säubern. Während dieses Genozids verlor ein Viertel der Landesbevölkerung innerhalb von nur vier Jahren ihr Leben. Wir gehen durch die Anlage, die absurderweise den Eindruck eines schönen, friedlichen Parks erweckt und sind geschockt von den Erzählungen des Audioguides. Immer wieder sieht man Leute, denen stumme Tränen über die Wangen laufen. Noch schwerer auszuhalten ist für uns der Besuch des S-21 Gefängnisses, einer ehemaligen Schule, die von den Khmer Rouge als Folterzentrum genutzt wurde. Von den geschätzten 20000 Gefangen überlebten nur zwölf. Die Stimmung beim Gedenkzentrum, die furchtbaren Bilder der Ausstellung und der gut gemachte Audioguide machen uns nachdenklich und erschüttert. Egal was wir hier schreiben, unsere Worte könnten dem, was in Kambodscha passiert ist, nicht gerecht werden.

Fazit: Wir haben langsam genug von Busfahrten. In Battambang gibt es großartige Zirkusshows. Uns fehlen die Worte.