Oder: Was für ein Affentheater

Ok, vergesst einiges was ihr im letzten Gschichtl gelesen habt (sonst wärs ja kein Gschichtl), es gibt in Kuching doch ein paar Öffis. Sie sind elektro, sie sind gratis und sie fahren genau zur Orang Utan Auffangstation, zu der wir wollen. Was der Bus nicht bietet, sind genaue Abfahrtszeiten zu jeder Station. Man weiß nur, wann er an der Endstation losfährt, die Ankunft an unserer Haltestelle müssen wir selbst abschätzen. Nachdem wir eher konservativ geschätzt haben, stehen wir vielleicht 15 Minuten zu lange um 6 Uhr in der Früh bei strömendem Regen in der Dunkelheit an der Bushaltestelle. Aber was soll‘s, der Bus kommt dann doch und bringt uns ans Ziel. Die Orang Utan Auffangstation funktioniert so: Orang Utans, die aus illegaler Gefangenschaft befreit wurden, werden hier unter Betreuung wieder ausgewildert. Zweimal am Tag werden sie gefüttert. Falls sie im Wald selber kein Futter finden, können sie zur Fütterung kommen, müssen aber nicht. Bei dieser Fütterung, also falls die Orang Utans kommen, kann man sie beobachten. Wir spekulieren also gewissermaßen auf die Faulheit der Orang Utans. Bei einer dem Menschen doch recht verwandten Art stehen unsere Chancen womöglich gar nicht so schlecht, denken wir uns. Doch dann die große Ernüchterung: Schon am Eingang werden wir gefragt, ob wir uns sicher sind, dass wir uns Tickets kaufen wollen. Die Chancen heute Affen zu sehen sind nämlich extrem gering weil sie sich bei Regen lieber verstecken. Und außerdem ist Früchtesaison. Das heißt, der Wald hat gerade viele wohlschmeckende Früchtchen zu bieten und die Affen finden selbst genügend Futter. Mit geringen Aussichten auf Erfolg machen wir uns trotzdem auf zur Station wo die Fütterung stattfindet. Wir sind ein bisschen zu früh und quatschen ein bisschen mit einem der Ranger. Der macht uns auch keine Hoffnungen auf eine Orang Utan Sichtung. In freier Wildbahn sei es übrigens fast unmöglich Orang Utans zu sehen, ein Freund vom Ranger arbeitet in einem Nationalpark in dem es Orang Utans gibt und er habe seit inzwischen zehn Jahren keinen zu Gesicht bekommen. Dafür würde uns eindeutig die Geduld fehlen. Wenn wir ehrlich sind würde es uns schon ein bisschen nerven, wenn wir am nächsten Tag nochmal kommen müssten. HA, müssen wir aber nicht. Die Wette auf die Faulheit der Affen ist aufgegangen und zwei von ihnen schauen beim offerierten Essen vorbei. Sie sind wunderschön und unendlich elegant in ihren langsamen, kontrollierten Bewegungen. Sogar das riesige Alpha-Männchen namens Annuar ist hier. Der Big Boss frisst genüsslich Papayas und Bananen und lässt sich von den zwölf Leuten, die ihn aus einiger Entfernung beobachten, nicht beeindrucken. Mit einer take-away Kokosnuss macht er sich dann wieder auf den Weg in den Wald. Ohne die Affen beleidigen zu wollen, gerade beim Essen haben sie schon sehr menschliche Züge. Wir sind super begeistert und überlegen sogar zur zweiten Fütterung am Nachmittag zu bleiben. Andererseits hieße das fünf Stunden ohne Infrastruktur im Regen zu sitzen, ohne Garantie die Affen nochmal zu sehen. Also beschließen wir wieder nach Hause zu fahren. Leider sind uns die Busfahrzeiten wieder mal nicht gewogen (beziehungsweise sehr ungünstig für Orang Utan Bestauner gewählt). So nehmen wir uns halt ein Grab. Für alle Leser mit Geburtsdatum nach 1990: das asiatische Uber-Äquivalent. Für alle prä-1990 Geborenen: ein Taxi. Die Fahrt dauert eine Stunde und wir erfahren auf der Fahrt alles, wirklich alles, was es über Kuching zu wissen gibt. Danke, lieber Fahrer, für die vielen Tipps.

Orang Utans reichen uns noch lange nicht, wir wollen noch mehr Protagonisten des lokalen Affentheaters zu Gesicht bekommen. Dafür machen wir uns auf den Weg in den Bako Nationalpark. Und siehe da, es gibt schon wieder einen extrem billigen Bus, auch wenn Haltestellenpositionen und Abfahrtszeiten sich nur dem Kenner offenbaren (sprich uns nicht, aber wir schaffen es trotzdem irgendwie in den Bus). Zu Flos Leidwesen ist es wieder mal ein sehr früher Bus. Wir kommen dementsprechend früh am Nationalparkeingang an, von wo aus man mit dem Boot zum eigentlichen Nationalpark fahren muss. Das Longboat kann man mit anderen teilen, muss man aber nicht. Würden wir gerne, können aber nicht. Nachdem wir eine halbe Stunde vergeblich auf andere Touristen warten, reißt uns der Geduldsfaden und wir bezahlen den vollen Preis für ein privates Boot. Aber nach nur fünf Minuten legt unser Bootsfahrer schon wieder am Ufer an und schaltet den Motor aus. Wir fragen ihn verwirrt, ob wir schon da sind, aber er meint nur, wir müssen jetzt eine halbe Stunde warten, bis die Flut kommt damit wir weiterfahren können. Eine halbe Stunde! Das hätten sie uns ruhig früher sagen können, dann hätten wir uns das Boot vielleicht doch noch mit anderen teilen können.

Nach kurzer Diskussion und dank Bettinas subtiler Art, ihre Genervtheit „so gar nicht“ zu zeigen, meint unser Fahrer, dass wir es ja probieren können, durch die Ebbe zu schippern. Flo sieht sich vor seinem geistigen Auge schon im knietiefen Schlamm das Boot frei graben, aber weit gefehlt: All unsere Probleme werden von unseren alten Freunden Speed und Power gelöst. Ein paar mal ruckelt es, weil wir doch aufsitzen aber stecken bleiben wir nicht. Speed und Power bleiben uns auch bei der einsetzenden Flut und den damit einhergehenden Wellen erhalten, was zu beunruhigend langen Flugphasen führt. Wohlgemerkt in einem Boot, in dem man für gewöhnlich keine Flugphasen erleben will. Nach einer ereignisreichen Fahrt setzen wir zur Nasslandung an, weil der eigentliche Hafen aufgrund der Ebbe noch nicht zugänglich ist. Ob es im seichten Wasser Krokodile gibt? Fragen wir uns auch. Der Bootfahrer meint nur achselzuckend: „Sometimes“. Hilft nix, nachdem er für uns so viel riskiert hat können wir jetzt nicht kneifen. Die Krokodile waren zum Glück gerade woanders. Fast so unangenehm wie eine Krokodilbegegnung ist es, Socken und Schuhe mit sandigen Füßen anzuziehen. Einfach ein widerliches Gefühl! Wir werden aber schon am Strand von den ersten Nationalparkbewohnern begrüßt und der Sand zwischen unseren Zehen ist vergessen. Eine Wildschweinmama mit ihren vier Frischlingen gräbt im Sand herum und nascht Krebse. Sie stören sich scheinbar überhaupt nicht an unserer Anwesenheit und schmatzen fröhlich um uns herum. Als wir uns endlich von dem Anblick losreißen können, machen wir uns auf den Weg um ein paar der Wanderwege im Park zu erkunden. Wir schlendern auf Stegen durch einen Mangrovenwald, stoßen aber schon nach kurzer Zeit auf ein scheinbar unüberwindbares Hindernis. Makaken. Genau, die Affen, denen wir so gar nicht über den Weg trauen. Sie belagern den Steg und lassen sich von Geklatsche, Geklopfe und Geschrei nicht beeindrucken. Flo versucht ein paar mal einfach an ihnen vorbei zu gehen, aber sie fauchen, fletschen ihre Zähne und setzen zum Sprung an. Ziemlich furchteinflößend, die kleinen Kerlchen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig als zu warten, bis (todes)mutigere Leute den gleichen Weg brauchen und die Makaken für uns verscheuchen. Ein Guide kommt uns schließlich zur Hilfe und trennt die Makakenschar auf magische Weise wie Moses das Meer. Dabei macht er nichts, was wir nicht auch schon probiert haben. Ziemlich frustrierend, aber wahrscheinlich können die Affen Angst riechen. Flo wird von dem Guide noch mit einem Stock bewaffnet, dann trauen wir uns wieder alleine weiter. Es ist super heiß und schwül. Der erste Weg führt uns durch einen dichten Dschungel zu einer Bucht, die eigentlich Traumstrandpotenzial hätte, also wenn man die mögliche Krokodilanwesenheit jetzt mal ausblendet. Türkisblaues Wasser, weißer Sand und das satte Grün des Dschungels dahinter. Die traurige Realität ist aber, dass der Strand komplett zugemüllt ist. Also wirklich komplett.

Wir wollen gerade den Rückweg antreten, als wir neben uns im Dickicht ein Krachen, gefolgt von einem lauten Fauchen hören. Wir sprinten zu einer kleinen Holzkonstruktion neben uns und warten mit wild klopfendem Herzen ob sich das Ungeheuer, das hier haust, zu erkennen gibt. Wir fragen uns, ob das wirklich ein Ort ist, an dem man ohne Guide herumspazieren sollte. Haben wir schon mal erwähnt, dass wir im Dschungel immer ein bisschen paranoid werden? Im Nachhinein würden wir es aber genau so wieder machen. Nachdem wir uns wieder beruhigt haben erkunden wir noch einen der anderen Wege, der uns durch die unterschiedlichsten Landschaften bis zu einer Klippe mit toller Aussicht führt. Diesmal ganz ohne Zwischenfälle.

Obwohl uns der Park gut gefällt, macht sich vor allem bei Bettina ein bisschen Enttäuschung breit, als wir wieder zurück beim Boot ankommen ohne die edlen Wesen gesehen zu haben, wegen denen wir eigentlich hergekommen sind. Da wir bis zum vereinbarten Abfahrtszeitpunkt noch eine Stunde haben, beschließen wir unser Glück noch in einer anderen Richtung zu versuchen, obwohl uns wenig Hoffnung gemacht wird. Laut dem Ranger bei der Parkinformation ist gerade Mittagsschlafzeit für die gottgleichen Geschöpfe. Wir streifen durch den Wald und sind schon wieder am Rückweg, weil uns die Zeit ausgeht und wir vom Baumkronen Absuchen eine Genickstarre bekommen. Und dann entdecken wir sie plötzlich doch noch. Nasenaffen. Insgesamt drei Exemplare mit prächtigen Zinken klettern über uns herum und essen. Wir sind ganz verzaubert. Wenn das nicht die Krone der Schöpfung ist wissen wir nicht, was es sein sollte. Vor lauter Nasenaffenbestaunen kommen wir natürlich ein bisschen zu spät zu unserem Boot, unser Fahrer nimmt es uns gottseidank nicht übel. So sind wir an dem Tag die Ersten und Letzten im Nationalpark. Das heißt aber nicht, dass wir auch das letzte Boot sind, das zum Ausgangspunkt zurück kommt. Wir sind nämlich wieder mit voller Geschwindigkeit unterwegs. So überholen wir am Weg noch zwei andere Boote, weil unser Fahrer nicht die gängige Meinung vertritt, dass Boote zu jedem Zeitpunkt Kontakt mit dem Wasser haben sollten.

Ob wir für die Fahrt zurück nach Kuching noch einen Bus bekommen, ist laut der Dame im Nationalparkheadquarter ein bisschen ein Glücksspiel. Eigentlich sollten die Busse stündlich fahren, was sie bis drei Uhr auch meistens tun. Aber je später, desto unwahrscheinlicher. Der Bus um vier fährt nur selten und der um fünf fast nie, weil das den Busfahrern einfach zu spät ist. Es ist übrigens nach drei. Aber irgendwie funktioniert es am Ende ja doch immer.

Die restliche Zeit in Kuching verbringen wir hauptsächlich damit, die Liste mit Restauranttipps von unserem Grabfahrer abzuarbeiten. Der Mann hat Geschmack!

Das chinesische Neujahr steht vor der Tür. Deswegen ist der maschinengewehrartige Lärm von, in Europa mit Sicherheit illegalen, Knallern allgegenwärtig. Jeden Abend werden außerdem zig tausende Ringgit in Form der schönsten Feuerwerke, die wir je gesehen haben, in die Luft geschossen. In Anbetracht dessen freuen wir uns schon auf unsere nächste Destination. Zur Vorbereitung darauf kaufen wir noch Ohropax, bevor wir in den Flieger steigen.

Fazit: Wir haben die Pimmelnasen gefunden. Am Ende sind die Orang Utans aber doch ein bisschen eleganter. An Dschungelgeräusche werden wir uns nie gewöhnen. Busfahren in Sarawak ist eine Lotterie, immerhin haben wir in 60% der Fälle gewonnen. Wir werden das malaysische Essen vermissen.