Kaohsiung gefällt uns schon ab dem Moment, in dem wir den Bahnhof verlassen. Wir bringen nur schnell unsere Rucksäcke ins Hotel und fahren dann ein bisschen durch die bunte Stadt bis zum Pier (mit U-Bikes natürlich). Dort steht überall Kunst herum. Von super moderner, futuristischer Architektur und großflächigen Graffitis bis hin zu Skulpturen und Lichtinstallationen. Wäre der Kunstgeschichteunterricht damals ein bisschen interessanter gewesen, hätte Bettina an dieser Stelle vielleicht mit allerlei Fachbegriffen und wertvollen Interpretationen auftrumpfen können. Weil der Kunstgeschichteunterricht aber zu einer tiefen Abneigung gegen all das geführt hat, kann nur gesagt werden: Manches gefällt uns, anderes nicht. Wir wollen uns gerade auf den Weg zu einem kleinen Aussichtspunkt machen, da beginnt sich eine Menschentraube zu formen. Und weil es das Gesetz der Neugier so will, dass man stehen bleibt und schaut, wo andere stehen bleiben und schauen, stehen wir jetzt auch am Pier und – naja – schauen. Als plötzlich laute Musik abgespielt wird, Musik von der dramatischen Sorte wohlgemerkt, steigt die Spannung ins Unermessliche. Wir werden aber ein bisschen enttäuscht. Das Ganze wird nur deshalb veranstaltet, weil sich eine Brücke dreht, um große Boote passieren zu lassen. Allerdings wollen gerade keine Boote passieren. Nicht mal ganz kleine.
Der Aussichtspunkt mit Blick über Kaohsiung und die vorgelagerten Inseln entschädigt für das nicht ganz so spektakuläre Brückenverdrehungsspektakel. Zum feierlichen Abschluss des Tages geht es mal wieder auf einen Nachtmarkt, wo wir uns mit allerlei unbenennbaren Köstlichkeiten vollstopfen. Die Frauen in Taiwan sind übrigens sehr flirtoffensiv. Bettina kann nicht mal kurz aufs Klo gehen, ohne dass kichernde Mädels Michi und Flo belagern. Am Weg zurück in die Unterkunft finden wir eine gigantische Spielehalle, in der professionelle Spielehallenspieler am Werk sind und ihr Können zum Besten geben. Wir sind ziemlich beeindruckt, wie im Zeitraffertempo über Bildschirme gewischt, Knöpfe gedrückt und Tanzschritte vollführt werden. Wir probieren uns auch an der Tanzmaschine. Im Zeitlupentempo. Es sind ehrlich gesagt ziemlich traurige Versuche. Beim Airhockey stellen wir uns nicht ganz so blöd an. Flo hat die noble (oder eklige?) Angewohnheit bei allen Spielen zu gewinnen, sogar beim Tanzen. Bei seinem Hüftschwung hätte ihm das wohl auch niemand zugetraut. Vor allem Michi fällt es schwer, sich geschlagen zu geben und wir attestieren ihm ein großes Spielsuchtpotenzial. Höchste Zeit also, die Spielehalle zu verlassen. Natürlich kommen wir am nächsten Abend wieder, nur falls ihr euch gefragt habt.
Ein Inseltag steht an. Mit Bus und Fähre geht es auf die kleine Insel Liuqiu (wir haben auch keine Ahnung, wie man das ausspricht). Dort haben wir eine ganz bestimmte Mission: Schnorcheln mit grünen Meeresschildkröten. Die fühlen sich in der Nähe der Insel anscheinend besonders wohl und wir können sie sogar vom Strand aus sehen. Immer wieder tauchen Schildkrötenköpfchen zwischen den Wellen zum Luftholen auf. Wenn man bedenkt, wie sehr wir uns über Norman (die Schildkröte, deren Bekanntschaft wir in Thailand gemacht haben) gefreut haben, dann ist klar, mit wie viel Elan wir ins Meer springen. Trotz der Wassertemperatur. Und es ist großartig. Wir sehen wirklich viele Schildkröten und manche sind echt riesig. Weil wir uns einfach nicht von dem Anblick losreißen können, sehen wir sonst nichts von der Insel und müssen uns am Ende sogar richtig beeilen, um noch rechtzeitig zur letzten Fähre am Hafen zu sein. Würden wir aber genau so wieder machen. Weil es so spät geworden ist, geht es mit dem Bus direkt zum Nachtmarkt. Gefühlt immer noch komplett salzverkrustet und mit Sand in den Schuhen. Bettinas Albtraum. Aber Essen geht nun mal vor und davon gibt es auf dem gigantischen Markt reichlich. Weil hier viele Köche ihren Speisen mit Hilfe von Flammenwerfern das gewisse Extra verleihen, muss man richtig aufpassen um nicht von einer plötzlichen Stichflamme in Brand gesetzt zu werden. Nachtmärkte sind einfach immer ein Erlebnis.
Am nächsten Tag wird es Zeit, sich von Michi zu verabschieden. Zumindest vorübergehend. Während er noch einen Abstecher in den südlichsten Zipfel Taiwans machen will, ist uns das für nur eine Nacht zu stressig. Wir bleiben also zu zweit in Kaohsiung und schauen uns ein Viertel aus ziemlich hässlichen Wohnblöcken an, die mit Graffitis aufgepeppt wurden. Am Weg dorthin gehen wir zufällig am Schauspiel-Konzert-Opernkomplex vorbei und erkundigen uns dort spontan nach dem Abendprogramm. Wir kommen uns richtig vornehm vor. Zur Auswahl steht ein klassisches Konzert und ein Puppentheater. Wir kaufen Karten für das Puppentheater. Vielleicht sind wir doch nicht ganz so vornehm. Als wir gerade beim Mittagessen sitzen, werden wir vom Schauspielhaus angerufen. Es tut ihnen sehr leid, aber das Puppentheater ist doch nicht auf englisch, sondern auf französisch mit chinesischen Untertiteln. Irgendwie nicht ganz ideal. Wir entscheiden uns nach kurzem Hin und Her trotzdem dafür, die Karten zu behalten und werden für diese Entscheidung belohnt. Das Theater ist absolut fantastisch und wir werden köstlich unterhalten. Obwohl wir nichts verstehen, können wir dem Stück großteils folgen und für den Rest denken wir uns einfach selbst eine Handlung aus. Das Highlight des Stücks ist definitiv das Bühnenbild. Wir haben noch nie etwas auch nur annähernd Vergleichbares gesehen. Solltet ihr je die Gelegenheit haben, Courville von Robert Lepage und Ex Machina anzuschauen, macht es. Egal in welcher Sprache!
Fazit: Viele Schaulustige ≠ viel zum Schauen. Schildkröten finden wir immer noch toll. Puppentheater kann mehr als nur Kasperl. Wir haben unsere kulturelle Ader entdeckt.