Wir sitzen mal wieder im Bus. Das letzte Mal haben wir uns noch so über das Zugnetz gefreut und jetzt so was. Aber in die Berge fahren die Züge halt nicht und genau da wollen wir hin. Zum Sun Moon Lake nämlich. Was gleich auffällt: Es ist deutlich kälter hier und wir packen seit langem mal wieder unsere Daunenjacken aus. Immer wenn wir glauben, dass wir die Dinger umsonst durch Asien schleppen, kommt ein kühler Abend und sie haben wieder ihre Berechtigung. Um sich auch von innen ein bisschen aufzuwärmen, gönnt sich Flo einen Kaffee. Wir sind alle ganz überrascht, als die Barista ihn fragt, ob „heiß“ okay ist. Auf Deutsch, wohlgemerkt. Sachen gibts. Spätestens bei Flos erstem Schluck klärt sich die Situation auf. Es wurde nach „ice“ gefragt, nicht nach „heiß“. Klassischer Verhörer und Flo muss auf sein Heißgetränk verzichten.
Was man hier so machen kann? Räder ausborgen und um den See fahren! Genau das machen wir auch und es ist großartig. Es geht immer wieder bergauf und bergab und wir werden mit hervorragenden Aussichten belohnt. Da viele größere und kleinere Tempel den Weg säumen, entstehen öfter kleine Diskussionen zwischen den tempelbegeisterten Radltourteilnehmern (Michi) und den nicht ganz so tempelaffinen Leuten (wir). Da wir aber immer noch die Zwei-Drittel-Mehrheit halten, beschränken wir uns auf die zwei größten Tempel. Die zahlen sich aber wirklich aus, müssen sogar wir zugeben. Mittagspause machen wir im lebendigen Örtchen Ita Thao. Man bekommt zu seinem Streetfood hier sogar eine Show präsentiert. Gerade als wir uns zum Essen am Pier niederlassen, beginnen die lokalen Ladies (60+) ihre schon etwas älteren, aber noch lange nicht müden Knochen zu schwingen und legen eine ausgesprochen gute Tanz- und Fitnessperformance zu flotten Beats hin. Leider können wir uns die Show nicht ganz bis zum Ende anschauen, bis zum Sonnenuntergang müssen wir schließlich unsere Räder wieder zurückgeben. Und wir sind gerade mal bei der Hälfte der Seeumrundung und ein weiterer Tempelbesuch steht auch noch an. Mit Tour de France reifem Tempo auf den letzten zehn Kilometern schaffen wir es aber gerade noch rechtzeitig zum Fahrradshop.
Am nächsten Tag steht noch eine kleine Wanderung zu einem Aussichtspunkt an. Auf das Ausborgen von Kayaks am See verzichten wir, da uns die Preise astronomisch vorkommen. Umgerechnet zwanzig Euro pro Person pro Stunde. 275 Schilling und 21 Groschen. Wucher!
Nach dem Preisschock geht es für uns weiter zum Alishan Nationalpark. Alishan hat sich bei unseren Recherchen nach einem Nationalpark mit vielen Wanderwegen angehört. Tatsächlich haben wir eher das Gefühl, durch einen großen botanischen Garten zu spazieren. Schön ist es trotzdem. Wir sehen noch die Reste der Kirschbaumblüte und schlendern durch Wälder mit über tausend Jahre alten Bäumen. Die haben es im Laufe der Zeit zu beachtlichen Durchmessern gebracht. Wir spazieren den ganzen Tag durch den Park und können sogar mit einer Minieisenbahn zurück zum Haupteingang fahren. Touristenherz, was willst du mehr?
Weil in Alishan die Unterkünfte so teuer sind, wollen wir am gleichen Tag noch einen Bus nach Tainan nehmen. Da aber Sonntag ist, haben auch viele Einheimische die Idee eines Parkausfluges und die Schlange für den Bus ist dementsprechend lang. Nachdem wir in die ersten zwei Busse nicht reinkommen, werden wir ein bisschen nervös. Zum Glück finden wir aber noch ein Plätzchen im letzten Bus der an diesem Tag noch ins Tal geht. Auch in Taiwan gilt für uns offensichtlich: es geht sich immer alles doch noch aus.
Fazit: Wenn man glaubt in Taiwan Deutsch zu hören, sollte man lieber nochmal nachfragen. Warum tanzen die österreichischen Pensionisten eigentlich nicht nachmittags im Park? Tour de France, wir kommen!