Oder: Der frühe Wurm hat einen Vogel

Unser erster Ruhetag steht an. Wohlverdient. Auf 3540 Meter muss man dem Körper nämlich etwas Zeit geben sich an die geringere Sauerstoffkonzentration zu gewöhnen.

Die Pause dient aber nicht nur dazu, unsere Schultern und Beine zu entspannen, wir müssen auch dringend mal wieder Wäsche waschen. Nach einem Umzug in eine schönere Unterkunft (wir haben ein farbiges Gartenhaus ergattert) und erledigter Hausarbeit legen wir die Füße hoch und genießen das wie immer unglaubliche Panorama. Am Nachmittag hören wir uns einen Vortrag über die Höhenkrankheit an und lernen, worauf wir in den kommenden Tagen zu achten haben. Wir unterhalten uns mit anderen Wanderern und beschließen die Tour zum Tilicho-Lake auszulassen, nachdem dort in den letzten Wochen zwei Menschen durch Steinschläge ums Leben gekommen sind. Wer hätte gedacht dass wir so verantwortungsvoll sein können.

Alternativ geht es zum Ice-Lake auf 4620 Meter. Den Anstieg haben wir ein bisschen unterschätzt, als wir aber plötzlich im Schnee stehen und die Seen vor uns sehen, ist die Anstrengung auch schon wieder vergessen. Hier oben kommt es einem vor als wären die 7000er auf der gegenüberliegenden Seite des Tals auf Augenhöhe. Uns wird vor lauter schöner Aussicht fast schwindelig (vielleicht liegts auch an der Höhe). Nach der obligatorischen Foto-Session beobachten wir wie ein Verrückter im See badet, auch hier sind wir geneigt die Höhenkrankheit zu diagnostizieren.

Am Abend zurück in Manang gibt es eine gute Neuigkeit für uns: die Festivitäten scheinen vorbei zu sein und wir können in aller Stille schlafen. Wir gönnen uns noch einen Ruhetag. Wieder wohlverdient wie wir finden. Wir belauschen einen Guide wie er seiner Wandergruppe für die Passüberquerung dringend Grödel empfiehlt. Also ist auch für uns Shopping angesagt und drei Geschäfte später sind wir stolze Besitzer formschöner Grödel.

Voll ausgeruht und ausgerüstet machen wir uns auf in Richtung Pass. Wir stehen super früh auf um sicher ein Zimmer am Ziel zu ergattern. Die zwei Tage bis Thorong Phedi sind eher kurz, wir halten uns an die ärztlichen Empfehlungen und steigen nicht mehr als 500 Meter am Tag auf. Auch wenn das bedeutet, dass wir schon vor dem Mittagessen am jeweiligen Tagesziel ankommen. Unterwegs sehen wir eine ca. 40 Mann starke (!) Unternehmung, bei der zwei unterarmdicke Stahlseile für eine neue Brücke bergauf getragen werden. Respekt! Eine etwas furchteinflößendere Begegnung ist die mit einer Yakherde, die uns auf einem schmalen Pfad entgegenkommt. Da es keine Ausweichmöglichkeiten gibt, enden wir als kleine menschliche Enklave inmitten der Yaks. Wir können sagen, diese Yaks sind ziemlich groß (größer als eine handelsübliche Kuh!) aber zu unserem Glück stehen wir nicht am Speiseplan. Abends sehen wir wie das Nationalgericht Daal Bhat (Reis, Linsensuppe, Gemüsecurry, Papad und manchmal Gemüse – all you can eat) im Nepali-Style gegessen wird: schnelles Gestopfe mit der rechten Hand. Die Linke ist nämlich für weniger gustiöse Aktivitäten reserviert.

In Thorong Phedi, der letzten Übernachtung vor der Passüberquerung, lernen wir Tess und Simon, unsere Wanderbuddies für den nächsten Tag, kennen. Nach einer großen Portion Daal Bhat (wir entscheiden uns dazu mit dem Löffel zu essen), geht es früh ins Bett weil wir am nächsten Tag um 4:30 aufstehen müssen. Obwohl das sehr früh klingt, sind wir so gut wie die Letzten die aufbrechen. Viele entscheiden sich schon um 3:00 loszugehen. Nicht mit uns. Wir kommen nach einem verdächtig nach Knoblauch schmeckenden Porridge erst kurz vor sechs Uhr weg. Das erste Stück können wir gut hinter uns bringen, bis es Tess immer schlechter geht und sie sich für den letzten Aufstieg einen Porter nehmen muss. Obwohl es uns trotz 50% weniger Sauerstoff in der Luft gut geht, werden die Bergaufschritte immer mühsamer. Nichtsdestotrotz kommen wir am Pass an. Wir müssen sagen, es ist ein herrliches Gefühl am bisher höchsten Punkt unserer aufstrebenden Bergsteigerkarrieren angekommen zu sein. In Zahlen: Fünftausendvierhundertsechzehn Meter.

Am Weg bergab macht sich die Investition in unsere Grödel bezahlt, während viele andere am Schnee herumrutschen, tänzeln wir geckoesk an ihnen vorbei. Trotzdem ist der Abstieg lang und mühsam. Das kann auch die (wiedermal) komplett veränderte Landschaft nicht ganz kaschieren. Kurz vor der Ankunft in Ranipauwa sehen wir einen Mann, den die Höhenkrankheit wohl voll erwischt hat. Er torkelt bergab und wir sind froh, dass er einen Guide hat der ihn unterstützt.

Nach mehreren Tagen ohne Dusche freuen wir uns darauf endlich wieder mal zu duschen. Für Bettina stellt sich die Erfahrung als nicht ganz so entspannend heraus, es kommt plötzlich nur noch eisiges Wasser und Bettina muss während der Reparaturarbeiten nass in der kalten Duschkabine ausharren. Flo duscht wohlig warm. Wir lassen den Tag bei drei Pizzen und einem Passbier mit unseren Wanderbuddies ausklingen.

Fazit: Als Erster zu duschen ist nicht immer von Vorteil. Man muss es mit dem Frühaufstehen nicht übertreiben. Yaks sind nur von Weitem süß.